Der Teufel vom Waiga-See
er,
„daß Thea die innere Zappelei schon hatte, als der Ganove namentlich noch nicht
entlarvt war. Der Name Poldgar Prüffe ist es also nicht, was sie geschockt hat.
Demnach kann’s nur der Anblick gewesen sein. Sie erkannte in dem
Schlüssel-Wegwerfer den Mann, dem ihre Mutter besser nie begegnet wäre. Aber
persönlich, also leibhaftig, kann sie, Thea, ihm noch nicht über den Weg
gestolpert sein. Sonst hätte sie ihn im Hbf angesprochen — oder der Kerl sie.
Daraus folgere ich, Gräfin Eugenia besitzt mindestens noch ein Foto von ihrem
ehemaligen Herzallerliebsten. Und Thea hat’s gesehen.“
„Gut überlegt, Tim“, nickte
Glockner. „Ihr wißt nun Bescheid. Lenkt das Gespräch nicht absichtlich auf die
Fahndung nach Prüffe. Es könnte für eure Gastgeberin sehr unerquicklich sein.“
7. Frühstück im Herrenhaus
Über der grünen Landschaft ging
die Sonne auf. Der Waiga-See blinkte wie Silber.
Gräfin Eugenie hatte schlecht
geschlafen letzte Nacht. Jetzt lagen Ringe unter den Augen, und etwas mehr Make
up als sonst war nötig, um wieder wie die schöne Gräfin auszusehen.
Gebacht, genannt Bachti, aß zum
Frühstück drei weichgekochte Eier, überflog die Zeitung und schimpfte über die
Weltpolitik.
Thea schlief noch.
Gräfin Genie trank
Pampelmusensaft und dann in kleinen Schlucken Milchkaffee.
„Ich fahre in die Stadt“, sagte
Bachti — und meinte Weinfurth, „soll ich dir was mitbringen?“
„Mir fällt nichts ein.“
„Willst du mit?“
„Lieber nicht. Ich habe
Kopfweh.“
„Gut“, sagte der Graf.
Damit war vermutlich kein Lob
für die Kopfschmerzen gemeint, vielmehr wollte er ausdrücken, daß die Frage
geklärt sei und er nun getrost in die Kreisstadt fahren könne.
Bachti war Anfang vierzig und
hatte eine Reiter-Figur, wie er seine stramme Haltung bezeichnete: mit geradem
Rücken und angedeuteten O-Beinen. In dem gebräunten Gesicht hing ein mächtiger
Schnauzbart. Das Haupthaar wurde dünner, und des Grafen Atem roch immer etwas
nach den Zigarren, die er rauchte. Bachti angelte gern und hatte ein
Universitäts-Diplom als Landwirt.
Genie sah ihm nach, wie er das
Frühstückszimmer verließ.
Wenig später stotterte bei der
Remise der Motor des Landrovers, mit dem der Graf losfuhr.
Poldgar! dachte sie. Bist du
unten im Blockhaus? Bist du gekommen? Oder hat die Polizei dich gefaßt? Ist es
nicht heller Wahnsinn? Ich ermögliche dir, dich bei uns zu verstecken. Und
morgen treffen Theas Freunde aus Deutschland ein. Sie werden herum strawanzen (sich
herumtreiben). Mit Thea. Natürlich gehen sie an den See. Und das Blockhaus
ist interessant. Nicht auszudenken, Poldgar, wenn du entdeckt wirst. Ich... ja,
ich muß dich warnen.
Sie stand auf.
Die Tür wurde aufgestoßen. Thea
hüpfte herein.
„Morgen, Mami!“ Genie erhielt
ein Bussi auf die Wange. „Wie ich mich freue!“
„Auf deinen Besuch?“
„Es ist einfach herrlich. Die
vier — weißt du, die haben großstädtisches Format. Sind aber unheimlich nett.
Wenn ich da an meine Klassenkameraden aus dem Dorf denke! Du liebe Güte! Außer
Poldgar kann man die alle vergessen.“
Genie zuckte zusammen, obwohl
sie wußte, daß nicht Poldgar Prüffe gemeint war, sondern der 15jährige Sohn des
Goschendorfer Landarztes. Diesen Jungen drängte es nach Höherem. Er wollte
Schauspieler werden am berühmten Wiener Burgtheater.
„Es ist dein Besuch“, lächelte
Genie. „Also mußt du dich darum kümmern, daß die Gästezimmer in Ordnung sind.“
„Mache ich, Mami.“
„Wann kommen deine Freunde
morgen an?“
„12.01 Uhr. In Weinfurth.“
„Man müßte sie abholen.“
„Ist doch klar, Mami. Oldo hat
versprochen, daß er mit mir hinfährt. Pünktlich.“
Als hätte sie nach dem
Genannten gerufen — der Neffe des Grafen kam im selben Moment herein.
Der 19jährige trug Stiefel. Im
linken steckte die gefaltete Tageszeitung, der WEINFURTHER ANZEIGER.
Oldo von Durstilitsch hatte die
Angewohnheit, alles mögliche in seine Stiefel — er besaß 13 Paar — zu stecken:
Kamm, Werkzeug, Zigaretten, Brieftasche.
Oldo wohnte im Haus. Und machte
sich nützlich. Er nannte das Guts-Inspektor-Lehrzeit. Seine Eltern waren vor
Jahren in Afrika bei der Löwenjagd umgekommen — auf tragische Weise. Oldos
Mutter wurde nämlich im hohen Savannen-Gras überraschend von einem Löwen
angegriffen. Ihr Mann, der in der Nähe stand, feuerte sofort. Leider traf er
nicht den Löwen, sondern seine Frau, die auf der Stelle tot war. Als
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