Der Teufel vom Waiga-See
Gewalt gebracht hat“, sagte Tim zu Höbl, „ist die Folge von seinem
Hirngespinst. Er hat’s mir eben gesagt. Mützberger sei der Mörder seines
Sohnes.“
„Was?“ rief Stehgeiger-Josef.
„Ich habe noch nie jemanden umgebracht. Noch nie! Und den Sohn kenne ich gar
nicht. Ich war zwar mal hier — vor zehn Jahren etwa — , und bin auch an
Schelldorns Bauernhaus vorbeigekommen, weil ich zum Baden an den See fuhr. Aber
damals war ich noch nicht kriminalisiert, sondern künstlerisch tätig: als
Geiger. Mit Josef Füzesabonys ungarischem Operetten-Orchester sind wir durch
die Provinz getingelt. Ich spielte die erste Geige.“
Mützberger wurde in den Jeep
gebracht.
Die Luft war erfüllt vom
Brandgeruch.
Höbl und die Gendarmen spähten in
die Dunkelheit. Sie leuchteten auch mit Handscheinwerfern hierhin und dorthin.
Aber ein bewaffneter Überfall
durch Prüffe und Maulwurf-Paul war wohl nicht zu befürchten.
„Sobald es hell wird“, sagte
Höbl, „durchkämmen wir das ganze Gebiet. Zur Unterstützung werde ich einen
Hubschrauber anfordern.“
Oldo, inzwischen mit
Handschellen gefesselt, saß in dem zweiten Jeep. Der 19jährige wirkte völlig
apathisch. Vielleicht dachte er über sich selbst nach und entdeckte nur
schlechtes.
Über einen Wiesenweg, den eigentlich
nur Fußgänger benutzen durften, näherte sich Graf Gebachts Geländewagen.
Thea begleitete ihren Vater.
Eugenie war nicht dabei.
Welche Rolle Oldo in dem
Trauerspiel übernommen hatte, wußten die beiden noch nicht. Als Gaby vorhin
anrief, war ihnen davon nichts bekannt gewesen.
Den Grafen traf es hart.
Wortlos — mit immer bleicherer
Miene — hörte er Tim zu.
Thea brach in Tränen aus.
Gaby nahm sich ihrer an und
versuchte zu trösten. Vergebens.
„Was sind wir doch für eine
verkorkste Sippschaft“, schluchzte Thea. „Ich reiße wieder aus. Und bestimmt
nicht zum letztenmal. Denn hier hält man’s ja nicht aus. Oldo ist der Teufel.
Diese Schande für unsere Familie! Ein Glück nur, daß er nicht leiblich zu uns
gehört. Dann wären wir ruiniert. Denn der Schaden muß gutgemacht werden.“
Sie denkt praktisch, dachte
Tim. Und trotzdem verdreht — wenn sie schon wieder ausreißen will. Au Backe!
Der Brand war gelöscht.
Die Trümmer qualmten.
Die Feuerwehr nahm Schelldorn
mit. Weil in den Jeeps der Platz nicht mehr reichte.
Um den Alten muß man sich
kümmern. Hier konnte er nicht bleiben — solange die schwelende Brandruine nicht
völlig ausgekohlt und abgeräumt war.
Der Graf, der immer noch wie
versteinert wirkte, lud sämtliche Jugendliche in seinen Wagen.
Über den Wiesenweg rumpelte die
Fuhre zum Herrenhaus.
Für Schelldorn und Mützberger,
dachte Tim, war dies Rettung in letzter Minute. Ohne unseren Alarm wäre die
Feuerwehr zu spät gekommen — oder gar nicht. Auch das Haus hätte gebrannt mit
Mann und Maus.
25. Sprung von der Galerie
Während der Rückfahrt war die
Stimmung gedrückt.
Daß Oldo sich als
Waiga-See-Teufel entpuppt hatte, schadete dem Ansehen der Grafenfamilie
vermutlich bis in die nächste Generation.
Noch Theas Kinder würden
darunter zu leiden haben.
Die TKKG-Bande focht das nicht
an. Aber selbstverständlich war sie so rücksichtsvoll, sich der betröpfelten
Stimmung anzupassen.
Tim überlegte für einen Moment,
ob es nicht besser gewesen wäre, Oldo zunächst laufen zu lassen. Der Graf hätte
dann schon dafür gesorgt, daß sein — seelisch offenkundig gestörter — Neffe in
eine Psychiatrische Klinik eingewiesen wird.
Freilich wäre das kein
geeignetes Mittel gewesen, um die Öffentlichkeit vor ihm zu schützen. Deshalb hatte
so alles seine Richtigkeit; und Tim war auch nicht bereit, seine moralischen
Grundsätze zu verleugnen, nur weil er hier Gastrecht genoß.
Das Herrenhaus und die
dazugehörigen Gebäude wirkten einsam in der schwülen, schwarzen Nacht. Nur im
Herrenhaus brannte Licht.
Graf Bachti hielt vor einer der
Doppelgaragen und schaltete den Motor aus. Die Jugendlichen kletterten ins
Freie.
Thea brach das lang anhaltende
Schweigen.
„Mama wird sich sehr grämen.
Ach Gott! Diese Schande!“
Der Graf bestätigte das, indem er
aufstöhnte.
Man schlurfte zum Portal.
Tim blieb zurück.
Gaby wandte zwar einmal den
Kopf nach ihm, ging aber weiter.
Oldos bananenfarbener Landrover
stand jetzt in der Garage.
Tim öffnete die Beifahrertür.
Unter dem Sitz lag tatsächlich
eine flache Blechkiste.
Tim zog sie hervor.
Sie war unverschlossen und ließ
sich
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