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Der Teufel von Mailand

Der Teufel von Mailand

Titel: Der Teufel von Mailand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Kreuz.«
    Das Kruzifix im Alkoven über der Bibliothekstür stand auf dem Kopf. Man wußte nicht, seit wann, niemand schenkte ihm Beachtung. Außer Frau Felix, die ein im Ruheraum liegengebliebenes Buch zurückgebracht hatte.
    Als Sonia in der Bibliothek ankam, stand der Haustechniker bereits auf der Leiter und machte sich daran, die Schändung ungeschehen zu machen. Barbara Peters stand schweigend daneben und schaute zu.
    Der Corpus Christi war zur Wand gedreht, und man sah das tapetenartige, rosa und golden gemusterte Papier, mit dem die Rückseite des Kreuzes bezogen war.
    Wenn das Kreuz zieht nach Süden.
    Sonia suchte Barbara Peters’ Blick. Die schüttelte lächelnd den Kopf, wie über einen dummen Scherz.
    Der Haustechniker nahm das Kreuz aus dem Alkoven und drehte es um.
    »Sie könnten es bei dieser Gelegenheit etwas abstauben, bevor Sie es zurückhängen«, sagte die Chefin leichthin und ging.
    Der Mann auf der Leiter reichte das Kruzifix zu Sonia herunter. »Kannst du das halten, bis ich einen Staublappen geholt habe?«
    Sonia blickte auf das Kreuz und konnte sich nicht entschließen, es anzufassen. Sie ging einen Lappen holen.
    Erst als sie zurückkam, bemerkte sie, daß Dr. Stahel in einem der geschnitzten Sessel saß. »Das umgekehrte Kreuz ist ein satanistisches Symbol. Damit verspotten die Satanisten das christliche Kreuz.«
    »Ich habe eine andere Theorie.« Sie setzte sich zu Dr. Stahel und erzählte ihm vom Fragment des »Teufel von Mailand« und ihre Interpretation der sieben Zeichen. Stahel hatte seine Brille in der Hand und hörte ihr mit an die Decke gerichtetem Blick zu. Es wäre ihr lieber gewesen, er hätte seinen gewohnten leicht amüsierten Ausdruck beibehalten, aber er lauschte so ernsthaft und verständig, daß mit jedem Satz ihre eigene Überzeugung wuchs, ihre Theorie stimme.
    »Und?« fragte er, als sie geendet hatte. »Wer, glauben Sie, steckt dahinter?«
    Sonia erzählte ihm von Reto Bazzell und den Indizien, die alle für ihn als Täter gesprochen hatten.
    »Vielleicht ist es jemand, der von der Sache wußte und sie jetzt weiterführt«, schlug Dr. Stahel vor.
    »Zu Ende führt«, sagte sie leise.
    »Was sagt Frau Peters dazu?«
    »Sie weigert sich, die Sache ernst zu nehmen. Vielleicht sollten Sie mit ihr sprechen.«
    Er lächelte. »Vielleicht sollte ich ihr raten, der Feuerwehr nach der nächsten Übung eine Runde zu spendieren.«
    »Ja, bitte, tun Sie das.« Beim Hinausgehen schaute sie hinauf zum Alkoven, wo das frisch abgestaubte Kruzifix jetzt wieder richtig hing. Sie ging nochmals zurück zu Dr. Stahel. »Waren Sie schon hier, als Frau Felix die Sache entdeckte?«
    »Nein, ich muß kurz danach gekommen sein.«
weißt du wer hier ist
wer
frederics mutter
woher weiß die wo du bist
rat mal
shit
sie spielt den briefträger
unterschreib nichts
nichts
und der pianist
spielt wunderbar
    Nach dem dritten Klopfen hörte sie Schritte und dann den Mechanismus des antiken Schlosses. Mit einem gequälten Quietschen ging die Tür auf, und die kleine alte Frau in Schwarz stand vor ihr. Sie schien sie nicht wiederzuerkennen. »Buna saira«, sagte sie und musterte Sonia mißtrauisch.
    »Guten Abend, ich möchte zu Herrn Casutt.«
    Die Alte drehte einen Lichtschalter neben der Tür. Eine Lampe ging an im großen Flur und ließ das blankgewetzte Kopfsteinpflaster matt aufschimmern. In diesem Licht musterte sie die Besucherin noch einmal. »Sie waren schon einmal hier, nicht?« Sonia nickte.
    »Dann wissen Sie ja, wo er wohnt. Aber ich glaube nicht, daß Sie mit ihm sprechen können.« Sie nahm ein unsichtbares Glas in ihre rheumatische Hand und kippte es runter.
    Die Tür zu Casutts Wohnung stand halb offen und ließ einen kaum sichtbaren Streifen graues Tageslicht auf den dunklen Treppenflur fallen. »Hallo? Herr Casutt?« rief Sonia leise.
    Aus dem kleinen Küchenraum drang der Gestank von altem Hausmüll. Die Unordnung war seit ihrem letzten Besuch noch schlimmer geworden. »Sind Sie da, Herr Casutt?« rief sie etwas lauter. Nichts regte sich. Sie hielt den Atem an und ging durch die Küche zur Tür des Wohnraums, die ebenfalls offenstand. »Jemand zu Hause?« Sie betrat den Raum. Auch hier hatte sich das Chaos verschlimmert. Sie öffnete das Fenster. Die Luft, die hereindrang, war kühl und feucht und roch nach dem Rauch nassen Holzes.
    Casutt lag auf dem Bett, den Kopf auf die linke Armbeuge gebettet. Sein rechter Arm hing auf den Teppichboden, und an seinem Mundwinkel hing ein

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