Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
Vom Netzwerk:
stört trotzdem«, stellte Haller klar und wandte sich an Anna. »Frau van der Pütten, ich möchte, dass dieser Elbenkrieger hier verschwindet und uns unsere Arbeit machen lässt.«
    »Ich sehe genau, was geschehen ist«, sagte Branagorn unterdessen. »Eine Person, die nicht größer als ein Meter siebzig ist, hat mit einem sehr scharfen Messer den Hals dieser Frau aufgeschlitzt. Es war eine einzige von Wut erfüllte Bewegung, mit viel Kraft. Und sehr viel Hass. Dem Hass, den ein zuvor selbst zutiefst erniedrigtes Wesen empfindet oder jemand, der sich in höchster Lebensgefahr glaubt.«
    »Branagorn!«, schritt Haller ein.
    Aber der Elbenkrieger ließ sich nicht stoppen. Dass inzwischen der Gerichtsmediziner und ein Team der Spurensicherung eingetroffen waren, schien ihn nicht zu kümmern. Sein Blick wirkte glasig, so als würde er alles um sich herum ausblenden. Alles, bis auf ganz bestimmte Details, von denen er glaubte, dass sie eine Bedeutung hatten. Er sprach weiter, und Anna, die zuerst ebenfalls den Impuls in sich verspürte, ihn in seinem Redefluss zu stoppen, sagte dann doch kein Wort. Sie spürte eine eigenartige Faszination, die schwer zu erklären war. Branagorns Wortfluss entfaltete einen Sog, dem sie sich nicht entziehen konnte, auch wenn sie es eigentlich wollte. Es widerstrebte ihr zutiefst, sich einfach auf diese Straße aus reiner Phantasie entführen zu lassen. Ein schlüpfriger Regenbogen, der ins Nirwana führte und von dem man erwartete, dass er einen von jeglicher Erkenntnis entfernte. Aber eigenartigerweise hatte Anna genau das gegenteilige Gefühl – und vielleicht war es das, was sie am meisten verwirrte. Branagorn sprach über die Geschehnisse, die sich seiner Meinung nach hier zugetragen hatten, so, als wäre er auf eine geheimnisvolle Weise in der Lage, sie zu sehen – nicht wie jemand, der lediglich eine begründete Hypothese aufstellte. Es schien ihm alles genauso klar vor Augen zu liegen wie die Haare, die er am Boden sah, oder der Handabdruck beziehungsweise das, was er dafür hielt. Das war ja noch keineswegs erwiesen. Genauso gut konnte wirklich alles nur Gerede sein, und Anna rief sich diese Möglichkeit ganz bewusst in Erinnerung.
    »Das lange Messer, die Todessichel des Traumhenkers, wurde an der Kleidung abgewischt«, fuhr Branagorn fort. »Dreimal ist die Klinge am Stoff der Beingewandung entlanggestrichen worden und einmal an der Bluse, deren fließender Stoff das Blut nicht so leicht annimmt. Aber dennoch war dies der vierte Streich, denn das Gewehr war inzwischen schon fast zur Gänze gereinigt.«
    »Gewehr?«, echote Raaben.
    Branagorn drehte sich kurz um. »Ihr verzeiht, Unwissender. Ich vergaß, dass das Wort Gewehr innerhalb des letzten Jahrtausends eine Verarmung seiner Bedeutung hinnehmen musste und in dieser Zeit nicht mehr für jede Art der Bewaffnung von Messer bis zum Schwert oder einem explodierenden Handrohr steht, sondern nur noch für langläufige Schusswaffen verwendet wird.«
    »Was Sie nicht sagen …«
    »Der Traumhenker hat vielerlei Gestalt. Diesmal ist er in eine Person gefahren, die sich befleckt sieht und die trotz ihrer grenzenlosen Wut die Schuld fühlen kann, die sie mit dem Blut an ihrem Messer abstreifen will, als hätte sie sich die Kleider mit Staub besudelt.« Er ließ aufmerksam den Blick schweifen. Die Augen der Gaffer, die sich in ziemlich großer Zahl versammelt hatten, hingen an Branagorn. Vielleicht war sich der eine oder andere nicht hundertprozentig sicher, ob dies hier nicht vielleicht sogar Teil irgendeiner Vorstellung war, die im Rahmen des Mittelalter-Spektakels auf der Planwiese gegeben wurde. Anna entnahm das zumindest einigen Bemerkungen, die vorzugsweise von Leuten kamen, für die der schrecklich zugerichtete Leichnam aufgrund des Blickwinkels nicht zu sehen war. Selbst Anna hatte Mühe, Branagorns fluktuierenden Gedankengängen zu folgen. Sein Blick war einige Augenblicke starr auf den kahlen Schädel der Toten gerichtet. »Nicht mit demselben Messer, sondern mit der Klinge eines Baders, die nicht breiter ist als zwei Finger, geschah dies«, sagte er und meinte damit wohl die Rasur des Opfers.
    »Nennt man so etwas auf Deutsch nicht zufällig Rasierklinge?«, fragte Raaben spöttisch.
    Branagorn ging nicht weiter darauf ein. »Man sieht an der Haut, wie die einzelnen Bahnen gezogen wurden. Die Klinge war sehr scharf. Der Traumhenker scheint ein Meister des Baderhandwerks gewesen zu sein. Kein Haar ist geblieben, und er hat

Weitere Kostenlose Bücher