Der Teufel Von Muenster
auch nur wenige verloren …« Er blickte plötzlich an sich herab und zuckte dabei förmlich zusammen. An seinem Ärmel schien er etwas entdeckt zu haben. Wenig später hatte er es in der Hand. Es war ein Haar – so schwarz und dick, dass es zu dem feinen und sehr hellen Haar dieses sonderbaren Mannes einfach nicht passte und daher auch nicht von ihm stammen konnte.
Branagorn wandte sich an Haller und hielt ihm das Haar hin. Er hielt es dabei mit Daumen und Zeigefinger. »Bewahrt dies auf, Hüter der Ordnung. Vielleicht gelingt es Euch, daraus mit der Magie Eurer Wissenschaft Erkenntnisse zu gewinnen.«
»Darf ich Sie daran erinnern, dass das Haar an Ihrer Kleidung war, Herr Schmitt?«
»Ich würde es bevorzugen, wenn Ihr mich Branagorn …«
»Nein, diesen Mist mache ich nicht mit! Hier liegt eine Tote, und da sollte das Spiel vorbei sein.«
»Wie auch immer – nehmt dieses Haar und untersucht es mit den Methoden, die Euch zur Verfügung stehen, Hüter der Ordnung, denn den meinen werdet Ihr gewiss misstrauen, so wie Ihr mir insgesamt recht argwöhnisch gegenübersteht.«
»Das kann man wohl sagen.«
»Dass dieses Haar an meiner Kleidung war, ist nicht verwunderlich. Der Totenhenker hat es dorthin übertragen, als ich mit ihm kämpfte. Ihr wart doch Zeuge dieses Geschehens, in dessen Verlauf mir mein Schwert genommen wurde.«
»Tun Sie ihm doch den Gefallen«, bat Anna.
»Wenn Ihr Patient mir auch einen Gefallen tut, Frau van der Pütten. Er soll von hier verschwinden und sich augenblicklich aus dem markierten Bereich entfernen. Sofort!«
»Wenn Ihr Euer Versprechen haltet, so will ich Euch entgegenkommen«, versprach Branagorn.
Haller gab Raaben ein Zeichen. Daraufhin nahm Raaben das Haar an sich und tütete es fachgerecht ein, sodass man es einer Laboruntersuchung zuführen konnte.
Branagorn verneigte sich leicht. Dann schritt er davon.
Er drehte sich nicht noch einmal um. Mit einem etwas ungelenk wirkenden Sprung überwand er das Flatterband. Seine Haare wehten dabei etwas zur Seite.
Anna sah in diesem Moment zum ersten Mal sein Ohr. Es lief spitz zu und wirkte irgendwie entstellt. Vielleicht die Folge eines Unfalls, ging es ihr durch den Kopf. Um das Ergebnis einer kosmetischen Operation konnte es sich eigentlich kaum handeln, dafür war es einfach zu schlecht. Doch es gab tatsächlich Fälle, in denen sehr enthusiastische Rollenspieler nicht nur im täglichen Leben als Ork, Teufel oder Vampir verkleidet waren, sondern sich zusätzlich chirurgisch-plastischen Eingriffen unterzogen, um sich lange Zähne oder Implantate von Teufelshörnern einsetzen zu lassen.
Anna hatte das Gefühl, Schmitt nachgehen zu müssen. »Herr Haller, entschuldigen Sie mich …«
»Frau van der Pütten, lassen Sie diesen Spinner jetzt einfach laufen und unterstützen Sie mich hier. Bitte! Für Herrn Schmitt können Sie frühestens dann wieder etwas tun, wenn die Staatsanwaltschaft ihn von Amts wegen anklagt und Sie dann irgendein Papier aufsetzen können, das sich Gutachten schimpft und in dem diesem Verrückten dann bescheinigt wird, dass er nichts für die Dummheiten kann, die er begeht.«
Anna zögerte. Im nächsten Moment war Branagorn bereits in der Menge verschwunden. Sie ließ suchend den Blick umherschweifen, doch er war nirgendwo mehr zu sehen.
»Er ist mein Patient«, sagte Anna schließlich.
»Aber nicht jetzt, Frau van der Pütten. Nicht jetzt! Denn jetzt brauche ich Sie hier. Und so lange verbannen Sie diesen Bekloppten bitte aus Ihren Gedanken. Meine Güte, man sollte mit dem Ritterspielen aufhören, wenn man älter als zehn ist, würde ich sagen. Alles andere ist doch krank.«
»Das nennt man LARP, Herr Haller.«
»Wie bitte?«
»Live Acting Role Playing. Sehen Sie sich um! Das ist heute nichts Ungewöhnliches.«
Anna ertappte sich dabei, dass sie immer wieder nach Branagorn Ausschau hielt. Sie fragte sich, ob sie ihn jetzt einfach so sich selbst überlassen konnte. Schließlich hatte er sich mit dem Pestarzt ja eine handfeste Auseinandersetzung geliefert, die um ein Haar ein schlimmes Ende hätte nehmen können.
Anna sah zu, wie der Gerichtsmediziner seine erste, oberflächliche Begutachtung abschloss, gegenüber Haller die naheliegende Vermutung äußerte, dass tatsächlich der Kehlenschnitt die Todesursache war, und wie dann der Leichnam in einen Zinksarg gelegt und abtransportiert wurde. Inzwischen war die Presse eingetroffen. Nicht nur die örtliche, sondern auch der Vertreter einer
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