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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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klar, dass sie wirklich eine sehr gute Lügnerin war. Nur gute Lügner sind überrascht, wenn sie ertappt werden. Und wahrscheinlich musste man sowieso eine gute Lügnerin sein, wenn man von ihrer Art von Arbeit leben wollte.
    »Ich kann nicht«, erwiderte sie unsicher. »Sie würden wütend werden, und Mrs. Boehm sagt, Sie sind ein Polizist.«
    »Tss, tss, so ein Giges«, machte Mrs. Boehm. »Nun erzähl uns schon, was wirklich passiert ist, Mr. Wilde ist ein guter Mensch.«
    »Ich wollte das nicht tun«, murmelte Bird. Sie klang sehr geknickt und presste ihren Daumennagel schmerzhaft gegen das Holz des Tisches.
    »Was nicht tun, liebes Kind?«
    » Alles «, flüsterte sie. »Aber er – ich glaube, er war betrunken, er hat nämlich einen Schluck aus einer kleinen Flasche genommen und mich gefragt, ob ich auch was haben möchte. Ich hab nein gesagt, und da hat er es auf mein Kissen gekippt und gesagt, so würde ich mich daran gewöhnen, und da hab ich gedacht, er wäre verrückt. Er hatte eine Schachtel mit Streichhölzern dabei, die hat er angezündet. Eins nach dem anderen. Er hat gesagt, die wären wie mein Haar, und mir eins ganz nah ans Gesicht gehalten, und ich hab gesagt, er soll weggehen, er hatte mich ja schon ... er hatte mich schon bezahlt. Aber er ging nicht weg und hat mich auf das nasse Kissen gedrückt und kam mit dem brennenden Streichholz immer näher. Er wollte mich anzünden. Ich hab angefangen zu schreien und ihn von mir weggestoßen, so fest ich nur konnte. Er ... er ist auf den Boden gefallen. Da war ein Messer in seinem Gürtel ... aber ich wusste das ja das nicht, ich schwöre zu Gott, dass ich das nicht wusste. Das Messer hat ihn an der Seite verletzt, und dann hat er mich hochgehoben, und das Blut hat mein Kleid ganz schmutzig gemacht. Die anderen haben mich schreien gehört und kamen ins Zimmer gerannt, und in dem Moment konnte ich abhauen. Er ist nicht tot, ich schwör’s Ihnen, und ich hab das nicht gewollt. Er hat versucht, mich anzuzünden .«
    Diesmal streckte Mrs. Boehm, als Bird innehielt, die Hand aus und strich ihr zart übers Handgelenk. Denn diese Geschichte, so dachte ich, konnte nur wahr sein. So merkwürdige Einzelheiten hätte ein Kind niemals erfinden können.
    Whiskey auf ein Kissen kippen und dann das Haar eines kleinen Mädchens in Flammen setzen.
    Das alles war passiert. Aber es war nicht der Grund, warum sie hier war.
    »Bird, es tut mir leid, all das hören zu müssen«, sagte ich zuihr. »Aber wenn ein Mann mit einem Messer verletzt worden wäre, selbst wenn es ein Unfall war, würde er einen riesigen Aufstand machen. Du wärst gestern niemals aus dem Haus herausgekommen. Wir müssen wissen, ob jemand ernsthaft verletzt wurde. Ich muss dich mit aufs Revier nehmen.«
    Die Tasse mit dem Johannisbeergetränk wurde von einer erbosten Faust gegen die Wand geschmettert. Im nächsten Augenblick sah Bird ganz schockiert drein und starrte auf ihre rechte Hand, als gehöre sie nicht ihr. Sie legte die linke darauf und blinzelte mehrmals.
    »Bitte nicht. Lassen Sie mich hierbleiben, lassen Sie mich hierbleiben«, bettelte sie in einem seltsamen, leisen Singsang. »Alles ist in Ordnung. Sie müssen sich keine Sorgen machen. Niemand ist verletzt worden.«
    »Aber du hast doch gesagt ...«
    »Ich hab gelogen! Bitte, ich hab gelogen, aber ... aber Sie glauben doch nicht, dass ich erzählen will, wo ich wirklich lebe, oder? Lassen Sie mich hierbleiben, ich kann nicht zurück. Die würden sich was Schreckliches als Strafe ausdenken. Ich werde die Tasse bezahlen, ich bezahle immer, wenn ich was kaputt mache. Bitte ...«
    »Erzähl uns alles noch einmal von vorn«, unterbrach ich sie, »aber diesmal die richtige Geschichte.«
    Birds Unterlippe zitterte heftig, doch zugleich reckte sie das Kinn in die Höhe.
    »Ich konnte nicht mehr dort leben«, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme. »Ich war müde, wissen Sie. Ich war so müde, und die haben mich nie schlafen lassen. Sie sagt, das liegt daran, dass jeder mich mag, aber ... ich konnte nicht mehr. Es ist schrecklich, wenn man nicht schlafen kann. Gestern Nacht holte ich mir ein paar Zehn-Cent-Stücke, die ich unten versteckt hatte. Im Hinterhof, da wo die Hühner sind. Zum Abendessen sollte es ein Hühner-Curry geben. Ich habe dem Jungen, der die Hühner geschlachtet hat, Blut abgekauft und ihm gesagt, ich bräuchte das für einen Zauber, den ich über jemanden sprechen wollte. Wir taten es in eine Schüssel und stellten sie in den

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