Der Teufelsfürst
und starrte Löcher in die Luft. Wenn doch nur nicht alles so verwirrend wäre! Einerseits fürchtete sie sich vor den Osmanen und der Vorstellung, was der Woiwode mit ihr vorhatte. Andererseits sorgte seine Gegenwart dafür, dass die Taubheit, die sie so lange Zeit gelähmt hatte, verpuffte wie eine Rauchwolke. Er war gefährlich, das sah und spürte sie.
Und dennoch faszinierte er sie. Es gab Zeiten, da war die Gewalt, die in ihm wohnte, so deutlich zu sehen, dass sie vor ihm zurückschrak. Doch es gab auch Momente, in denen der gefährliche Krieger in den Hintergrund trat und sie Empfindsamkeit und tiefe, unendliche Trauer in ihm lesen konnte. Sie wusste, dass er lange Zeit als Geisel am osmanischen Hof gelebt hatte. Irgendwann war ihr eine Bemerkung über ihre Großmutter entschlüpft, die seine Neugier geweckt hatte.
Und so hatte eins zum anderen geführt. Schon bald tauschten sie Geschichten aus, als wären sie nicht Herr und Sklavin, sondern zwei Kinder, die versuchten, sich die Zeit zu vertreiben.
Ihre Hand streifte die Brosche, welche er ihr vor drei Tagen geschenkt hatte. Noch niemals hatte sie jemand so auf Händen getragen, wie er es tat. Wie sollte sie einen Mann hassen, der ihr alles, was sie wollte, zu Füßen legte? Der sie umgarnte wie eine Königin? Der die Gewalt, die er über sie besaß, nicht ausnutzte, sondern sie behandelte, als sei sie das Kostbarste in seinem Leben? Sie fand keine Antwort darauf. Wahrscheinlich war das auch gar nicht nötig. Denn sobald er Utz vorließ, würde ihr Bruder ihm ein Angebot machen, dass selbst der Woiwode nicht ausschlagen konnte. Ganz gewiss würde er sie gehen lassen, wenn Utz ihm das Doppelte bot, das er selbst für sie bezahlt hatte! Das Geräusch von Schritten auf dem Gang ließ ihr Herz schneller schlagen. Er kam. Da sie sich innerhalb des Palastes frei bewegen durfte, war die Tür zu ihrer Kammer nicht abgeschlossen. Dennoch bat er stets mit einem Klopfen um Einlass.
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»Ihr seht wie immer bezaubernd aus«, war alles, was Vlad einfiel, als er Zehra erblickte. Er hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen für diese Oberflächlichkeit. Wenn er doch nur in Worte fassen könnte, was er jedes Mal aufs Neue empfand, wenn er den Raum betrat, in dem sie sich aufhielt. Er schluckte und griff nach ihrer Hand, um einen ungeschickten Kuss darauf zu hauchen. Auch heute war es wieder, als ob jemand die Sonne für ihn vom Himmel geholt hätte. Er richtete sich auf und suchte den Blick ihrer wundervollen Augen, in denen er sich stundenlang verlieren könnte. Er hatte unrecht gehabt, als er dachte, nichts an ihrem Aussehen wäre außergewöhnlich. Sie war eine bemerkenswerte Frau. Zart und zerbrechlich wie eine Rosenknospe, aber gleichzeitig stark und unbeugsam wie eine Löwin. Er wusste, dass er den richtigen Weg gewählt hatte. Hätte er sich ihr aufgezwungen, hätte er vielleicht ihren Körper besessen. Aber er wollte sie mit Haut und Haaren, wollte, dass sie ihn genauso begehrte, wie er sie begehrte. Alles andere war inzwischen undenkbar. Seit sie in sein Leben getreten war, hatte er das Gefühl, dass Licht in die Dunkelheit in seinem Herzen zurückkehrte. Wenn sie in der Nähe war, hielt er das Gute wieder für möglich. Inzwischen war er überzeugt davon, dass sein Entschluss, die Liebe für immer aus seinem Leben zu verbannen, falsch gewesen war.
Als sie ihm leicht die Hand auf den Arm legte, schoss ihm das Blut in die Wangen. »Ich würde so gern den Hügel sehen, von dem Ihr mir erzählt habt«, sagte sie. Ein Lachen stieg in ihm auf. »Ihr meint den Hügel, von dem aus man bis nach Konstantinopel sehen kann?«, fragte er. Sie nickte eifrig. Eine winzige Lüge, aber was machte das schon? Eine Lüge, die ihm sein ältester Bruder Mircea erzählt hatte, als Vlad kaum alleine gehen konnte. Er würde einfach, genau wie Mircea, auf irgendeine Ansammlung von Häusern in der Ferne zeigen und behaupten, das sei die alte Kaiserstadt. Bevor Schwermut über den Verlust des Bruders den Moment zerstören konnte, sagte er: »Dann solltet Ihr aber einen warmen Mantel anziehen. Es sind ein paar Meilen.« Dass sie reiten konnte, wusste er bereits, da sie ihm diese Tatsache mit einer Bemerkung über die Pferdezucht ihres Vaters verraten hatte. Dessen Erwähnung bereitete ihr sichtlich Kummer. Wie gerne hätte Vlad ihn ihr abgenommen. Doch bisher war sie ihm immer ausgewichen, wenn er sie auf ihren Vater angesprochen hatte.
Gemeinsam begaben sie sich zu den Stallungen.
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