Der Teufelsfürst
und unschuldig bin.« Etwas leiser fügte er hinzu: »Ihr solltet zusehen, dass Ihr Euch nicht versprecht.
Das könnte als göttliches Zeichen eines Meineides ausgelegt werden.« Zehras Pulsschlag beschleunigte sich, da die Blicke der Anwesenden mit einem Mal Löcher in ihre Haut zu brennen schienen. »Tretet vor, wenn Ihr den Eid ablegen wollt«, forderte der Amman sie auf. Und kaum war Zehra der Aufforderung gefolgt, streckte ein Gerichtsdiener ihr ein Kruzifix entgegen. »Legt die Linke darauf und hebt die Rechte«, wies er sie an. Obwohl ihre Hände ihr kaum gehorchen wollten, schaffte Zehra es irgendwie, dem Befehl Folge zu leisten und brachte mit zitternder Stimme hervor: »Ich schwöre bei Gott und allen Heiligen, dass ich die mir vorgeworfene Tat nicht begangen habe und unschuldig bin.« Die Stille im Raum war beinahe vollkommen. Einige Augenpaare zuckten zur Decke – als erwarteten sie, dass Gott einen Blitz auf die Lügnerin herabschleudern und sie so überführen würde. Als die Worte verklungen waren, wechselten der Ammann und der Bürgermeister einen kurzen Blick und nickten einem Büttel zu. Dieser verschwand daraufhin in der Menge und tauchte wenig später mit drei Ulmer Bürgern wieder auf. Einen der Neuankömmlinge erkannte Zehra als Ita, die Magd, die Martin in ihrem Auftrag entlassen hatte. Bei dem zweiten handelte es sich um den Stadtarzt, aber den dritten hatte sie noch nie gesehen.
Das Tuscheln der Anwesenden verstärkte sich wieder, als der Bürgermeister dem Stadtarzt bedeutete vorzutreten.
»Heinrich Steinhövel, Ihr seid der Arzt, der die Leichenschau an dem Verstorbenen, Karl von Katzenstein, vorgenommen hat?« Der Angesprochene nickte. »Was könnt Ihr uns zu den Umständen seines Todes sagen?« Steinhövel legte einen Augenblick den Kopf schief, als müsse er nachdenken. Dann begann er: »Auf Befehl des Rates habe ich den Leichnam des Fernhändlers Karl von Katzenstein auf Spuren untersucht, die vermuten lassen, dass sein Tod kein natürlicher war.« Er fuhr sich mit einer Hand über das Kinn. »Seine Leber war löchrig und beinahe vollkommen zersetzt, was darauf hindeutet, dass er vergiftet worden ist.« Zehra keuchte entsetzt auf, aber er fuhr ungerührt fort. »Wie es zu diesem Schaden kam, mag ich nicht bestimmen. Es ist möglich, dass er vergiftet wurde oder aber dass jemand einen mächtigen Zauber gewirkt hat, der einem Gift ähnelt.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause.
»Aber der corpus delicti beweist ohne Zweifel, dass Karl von Katzenstein hinterlistig ermordet worden ist!« Diese Aussage schlug ein wie ein Katapultgeschoss, und Zehra spürte, wie sich das Misstrauen der Anwesenden in offene Feindseligkeit verwandelte. »Ich danke Euch, Doktor Steinhövel.« Der Bürgermeister winkte die Magd Ita näher, die Zehra mit einem hasserfüllten Blick bedachte. »Zeugin, was hast du zu der Schuld der Angeklagten zu sagen?«, fragte er. »Du warst Magd im Haus ihres Vaters?« Ita bejahte und faltete die Hände vor der Brust. »Ich habe mich vor ihr gefürchtet«, flüsterte sie.
»Sie ist eine Hexe.« »Woher weißt du das?«, hakte der Bürgermeister nach. »Und sprich lauter, damit dich alle hören können.« »Ich habe gesehen, wie sie Zaubertränke gebraut hat, und gehört, wie sie ihren Vater mit einem bösen Fluch belegt hat.« Sie zog scheinbar schaudernd die Schultern hoch.
Doch als sie einen Blick in Zehras Richtung warf, glomm in ihren Augen kalter Hass. Zehra wusste mit einem Mal, dass sie in ihr eine tödliche Feindin hatte. »Sie hat dunkle Rituale abgehalten. Oft war sie deshalb morgens nicht in ihrem Zimmer, wenn ich oder eine der anderen Mägde sie wecken wollten. Außerdem spricht sie die Sprache des Teufels.« Heiße Empörung schoss Zehra in die Wangen. »Sie lügt!«, platzte sie heraus, aber der Prokurator griff warnend nach ihrem Arm.
»Ihr bringt das Gericht gegen Euch auf, wenn ihr die Zeugen unterbrecht«, wisperte er, doch Zehra hätte der falschen Schlange am liebsten jedes Haar einzeln ausgerissen. Seit wann war Latein die Sprache des Teufels? Oder meinte dieses hinterhältige Miststück die türkischen Worte, die Zehra von ihrer Großmutter gelernt hatte? »Sie will mir doch nur heimzahlen, dass ich für ihre Entlassung gesorgt habe!«, flüsterte sie.
Alle Furcht verwandelte sich in Zorn, als Ita eine Träne hervorquetschte und angsterfüllt flehte: »Beschützt mich vor ihr, sonst tötet sie auch mich mit einem bösen Schwur!«
»Ich danke auch
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