Der Teufelsfürst
weiterer Krampf aufstöhnen ließ. Was er selbst erst hier, in einem stinkenden Verlies, begriffen hatte, war seinem Vater offenbar schon lange klar: Es war leichter, die eigene Freiheit zu bewahren, wenn man sich auf Verhandlungen verlegte, anstatt gegen einen übermächtigen Feind anzukämpfen.
Ein Geräusch verdrängte für einen Augenblick das nagende Schuldgefühl und ließ ihn mit angehaltenem Atem in die Finsternis horchen. Irgendwo zu seiner Rechten raschelte Stroh. Ein leises Quieken verriet, dass die Ratten zurück waren. Grenzenlose Abscheu brachte ihn zum Würgen, als ein warmer Körper über seinen Fuß huschte, dem ein scheinbar endlos langer Schwanz folgte. Kurze Zeit darauf streifte ihn weiches Fell an der Hacke, und ein stechender Schmerz durchzuckte sein Bein. Offensichtlich hatte sich das Tier auf die Hinterbeine gestellt, um an das Fleisch seiner Wade zu gelangen, in die es jetzt die scharfen Zähne grub. Mit einem gotteslästerlichen Fluch versuchte Vlad, nach dem Nager zu treten, doch die Ketten verhinderten, dass er dem Tier mehr als nur einen leichten Stoß versetzen konnte. Ein weiteres Quieken verkündete die Anwesenheit einer zweiten Ratte, und schon bald vermeinte Vlad zahllose glühende Augen in der Dunkelheit seines Kerkers auszumachen. Trotz der Schmerzen, welche es ihm bereitete, spannte er alle Muskeln an und versuchte, sich an den Ketten ein wenig in die Höhe zu ziehen.
Aber der Versuch scheiterte kläglich. Er schrie auf, als heiße Nadeln jeden Quadratzoll seiner Haut zu durchstoßen schienen. Dunkle Flecken tanzten vor seinen Augen. Welch sinnloses Unterfangen, den Tieren entkommen zu wollen. Doch dann spürte er plötzlich, wie sich die Angreifer zurückzogen.
Ein matter Lichtschein, der sich tanzend näherte, drang durch die vergitterte Luke in der Tür seines Gefängnisses. Wenig später klirrten Schlüssel und das Licht wurde – begleitet vom Knarren der Angeln – stärker. Beim Anblick der Wächter floh alle Hitze seinen Körper. Es war, als habe man ihn mit eiskaltem Wasser übergossen. Heftig zitternd versuchte er zurückzuweichen, als einer der Kerle auf ihn zutrat und sich an seinen Ketten zu schaffen machte. »Was ist?«, fragte dieser durch die Zähne. »Du willst wohl schon aufgeben?« Ein hässliches Lachen folgte. Einer seiner Begleiter machte ebenfalls einen Kommentar, aber Vlad hörte kaum, was er sagte. Sobald die Fesseln ihn nicht mehr aufrecht hielten, sackte er zusammen und schlug hart auf dem fauligen Stroh auf. Während seine Umgebung sich wie wild um ihn zu drehen begann, drangen Wortfetzen an sein Ohr, die sich schon bald zu einem wirren Durcheinander vermischten.
»… mit ihm?« »… nicht. So … nicht vorgestellt.« »… der Sultan …« »… ihn ins Darüssifa bringen?« Eine Hand legte sich auf seine Stirn und zwei weitere griffen ihm unter die Arme. »Er brennt vor Fieber«, hörte er jemanden dicht neben sich sagen. Dann wurde er auf die Beine gestellt und von zwei Wächtern mehr oder weniger den Gang entlanggetragen. Als sie die Treppe erreichten, zogen ihn seine beiden Führer mit einem Ruck weiter in die Höhe. Der Schmerz, der ihm dabei durch die Glieder schoss, war so überwältigend, dass er die Kontrolle über seine Blase verlor. »Der Teufel soll dich holen!«, fluchte einer der beiden Männer und wich angeekelt einen Schritt zur Seite, ehe er Vlad mit dem Handrücken ins Gesicht schlug. »Nimm dich zusammen oder wir bringen dich auf der Stelle zurück«, drohte er und überließ es seinem Kameraden, den Gefangenen nach oben zu schaffen. Dort stülpte ihm jemand ein kratziges Gewand über den Kopf. Er stöhnte heiser, als der Stoff seinen blutigen Rücken berührte.
Halb besinnungslos stolperte er auf den Ausgang zu, vor dem eine Gruppe prachtvoll gekleideter Reiter wartete. Nieselregen legte sich über Vlads Gesicht. Seine nackten Füße sanken in dem aufgeweichten Boden ein. Angestrengt blinzelnd versuchte er, den Prinzen Mehmet unter den Reitern auszumachen, doch ganz egal, wie sehr er sich anstrengte, es wollte ihm nicht gelingen. Die goldbestickten Gewänder und Turbane verschwammen vor seinen Augen zu einem kunterbunten Teppich aus tanzenden Farben, aus dem hie und da das Funkeln von Metall hervorblitzte. Wo war Radu? Er schwankte wie ein Betrunkener auf der Stelle, da seine Kräfte mit jeder Sekunde weiter schwanden. Und was hatte Mehmet jetzt wieder mit ihm vor? Wollte er ihn vor den Augen aller Palastbewohner hinrichten
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