Der Teufelsfürst
Ammann als auch der Bürgermeister hoben die Brauen und sahen ihn mit unverhohlenem Tadel an. »Das Gericht hat entschieden«, entgegnete der Ammann schneidend und gab den Bütteln ein Zeichen, die Gefangene abzuführen. »Und auch Ihr werdet Euch fügen müssen. Sonst werdet Ihr mit einer Strafe belegt.«
Damit war die Sache für ihn erledigt. Ehe Utz protestieren konnte, packte ihn jemand von hinten an den Schultern. »So hilfst du deiner Schwester nicht!«, schimpfte Hans Multscher.
»Komm. Es ist besser, die Turmwärter dafür zu bezahlen, dass sie Zehra gut behandeln.« Er sah Utz forschend ins Gesicht.
»Noch ist nicht aller Tage Abend. Wenn du jetzt die Hoffnung aufgibst, gibst du Zehra auf.« »Er hat recht«, mischte sich Jakob Löw ein. »Ich bin sicher, dass mir bis Mittwoch noch etwas einfällt. Aber bis dahin solltet Ihr dafür sorgen, dass ihr im Kerker nichts zustößt.« Sein Blick war sorgenvoll.
»Das mit dem Hexenmal hättet Ihr erwähnen müssen …«
Auch wenn Utz ihm am liebsten etwas an den Kopf geworfen hätte, nahm er sich zusammen und eilte mit Hans Multscher den Wachen hinterher, um rechtzeitig am Metzgerturm zu sein. Aber obgleich dieser nur einen Steinwurf vom Rathaus entfernt lag, gelang es den beiden Männern kaum, sich dorthin durchzukämpfen. Zu dicht war das Gedränge auf dem Marktplatz, wo sich inzwischen Hunderte versammelt hatten – in der Hoffnung, Zeugen einer Hinrichtung zu werden. Mit Händen und Ellenbogen drängte Utz Männer, Frauen und Kinder zur Seite, steckte den einen oder anderen Schlag ein und stolperte über ein ausgestrecktes Bein. Bevor er sich allerdings die Knie auf den Pflastersteinen aufschlug, ergriff sein Begleiter seinen Rock und brachte ihn mit einem Ruck zurück in eine aufrechte Position. »Wenn wir uns dicht bei den Häusern halten, geht es schneller«, riet der Bildhauer.
»Aber wir sollten uns beeilen, sonst ist es zu spät.«
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Mit offenem Mund sah Sophia von Katzenstein dabei zu, wie die Gefangene – welche ihren Familiennamen trug! – von den Wächtern davongeschleift wurde. Etwa im selben Alter wie Sophia selbst hatte das andere Mädchen jedoch dunkles Haar und dunkle Augen, ganz im Gegensatz zu ihren eigenen roten Locken und grünen Augen. Auf den Wunsch ihrer Großmutter hin hatten ihr Vater und sie selbst diese am heutigen Tag ins Rathaus begleitet. Wie Helwig von dem Prozess erfahren hatte, wusste Sophia nicht. »Das wird dir sicher gefallen, Kind«, hatte sie zu ihrer Enkelin gesagt. »So etwas bekommst du auf Burg Katzenstein nicht zu sehen. Und wenn ich mich schon in dieser furchtbaren Stadt aufhalten muss, dann will ich mich auch ein wenig zerstreuen.« Zuerst hatte Sophia sich gelangweilt, da sie viel zu früh in dem überheizten Raum Platz genommen hatten. Als sich dieser dann allerdings gefüllt hatte und Richter, Bürgermeister und Ammann auf dem Podest Platz genommen hatten, war sie doch etwas kribbelig geworden. Und sobald sie gesehen hatte, wer der Gefangenen dicht auf den Fersen folgte, war ihr Interesse mit überwältigender Macht entflammt. Neugierig hatte sie den jungen Mann beobachtet, der ihr bei ihrem letzten Ausflug auf den Markt aufgefallen war. Zwar war ihr Vater böse geworden, als sie ihn nach dem Ulmer Zweig der Familie der Katzensteiner gefragt hatte, doch glaubte sie seiner Beteuerung nicht, noch nie etwas von den städtischen Verwandten gehört zu haben. Auch der Blick, den Helwig den beiden Geschwistern zuwarf, sprach mehr als tausend Worte. Neugierig hatte Sophia den jungen Mann unter niedergeschlagenen Lidern hervor betrachtet und ein seltsames Gefühl in ihrer Magengrube verspürt.
Wie ähnlich er seiner Schwester sah!, dachte sie, als sie ihm nachblickte, während sie an der Seite ihres Vaters darauf wartete, dass sich die Menge lichtete. Beide hatten die gleiche – trotz des Winters – sonnengebräunte Haut, dichte schwarze Brauen und eine fein geschnittene Nase. Während seine Schwester klein und zierlich war, überragte der junge Mann seinen Begleiter bereits um einen halben Kopf, und seine Schultern waren breit und muskulös. Aufgebracht stieß er diejenigen zur Seite, die ihm den Weg versperrten, und hastete den Stadtsoldaten hinterher. »Bald wirst du brennen, du Teufelskebse!«, prophezeite ein Metzger, dessen weiße Schürze blutbesudelt war. In seiner Hand hielt er noch sein Hackbeil, das er drohend über dem Kopf schwang. »Sie hat auch den Leistenschneider auf dem Gewissen. Und Stefan,
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