Der Teufelsfürst
lassen? Eine schillernde Gestalt löste sich aus dem Kreis der Reiter. Da Vlad den Mann nicht deutlich erkennen konnte, fiel er vorsichtshalber auf die Knie.
»Bei Allah , was habt ihr mit ihm gemacht?«, dröhnte eine tiefe Stimme, die Vlad seltsam bekannt vorkam. Nicht der Prinz, fuhr es ihm durch den Kopf. Nicht Mehmet. »Er sieht aus, als ob er den Monat Muharram nicht mehr erleben würde!
Hat Euch der Sultan denn nicht klargemacht, dass er eine wichtige Geisel ist?«
»Prinz Mehmet hat …«, hub einer der Soldaten an, aber der Reiter fiel ihm ungehalten ins Wort. »Prinz Mehmet hat in Bezug auf das Leben der Geiseln überhaupt nichts zu befehlen«, knurrte er. »Bringt ihn augenblicklich ins Darüssifa.
Und betet, dass es dem Hekim gelingt, ihn wieder herzustellen.« Mit diesen Worten wendete der Offizier sein Pferd und trabte mit den anderen Reitern davon. Es war Halil Pascha, begriff Vlad, als der Mann schon beinahe im nächsten Hof verschwunden war. Der Großwesir war ihm zu Hilfe gekommen!
Der Mann, der im vergangenen Jahr dafür gesorgt hatte, dass der Prinz wieder abgesetzt und sein Vater auf den Thron zurückgerufen worden war. Hoffnung schlich sich in sein Herz.
Sollte das bedeuten, dass Mehmet den Palast wieder verlassen hatte? Sollte Mehmet endlich wieder dahin zurückgekehrt sein, wo er hingehörte? Der Gedanke verpuffte, als die Soldaten ihn wieder auf die Beine zogen. Während eine eiserne Zange seinen Kopf zu umschließen schien, zersplitterte das Licht des Tages in tausend winzige Strahlen. Taubheit hüllte ihn ein. Dann senkte sich Dunkelheit über seine Sinne, und er sackte kraftlos in sich zusammen.
Kapitel 10
Ulm, ein Stadthaus, Februar 1447
»Macht Euch bereit. Die Gerichtsknechte werden bald hier sein.« Zehra schrak zusammen und wich an die Wand ihrer Kammer zurück, aber der Wächter hatte die Tür bereits wieder zugeschlagen. Als ob ihr die vertraute Umgebung Hilfe bieten könnte, sah sie sich in dem kleinen Raum um. Doch weder der Schrank noch die Truhe, noch das bescheidene Kruzifix neben dem geschlossenen Fensterladen konnten die bleierne Furcht, die von ihr Besitz ergriff, vertreiben. Nachdem auf Antrag des Prokurators ihrer Familie die Turmhaft in Hausarrest umgewandelt worden war, hatte sie die letzten vier Tage allein zugebracht und dafür gebetet, dass sie aus diesem Albtraum erwachen würde. Allerdings war ihr Flehen auf taube Ohren gestoßen. Nichts und niemand schien ihr aus ihrer Notlage heraushelfen zu können. Noch immer wollte sie nicht glauben, dass ihr Vater Opfer eines Verbrechens geworden war – und noch viel weniger, dass man sie der Tat bezichtigte. Es musste sich einfach um einen Irrtum handeln! Mit unsicheren Händen schnürte sie ihre Fucke, flocht ihr Haar und legte einen blickdichten Schleier darüber. Dann warf sie ihre wollene Heuke über einen Schemel und wartete mit hämmerndem Herzen auf die Ankunft der Büttel. Es dauerte nicht lange, bis sich erneut der Schlüssel im Schloss ihres privaten Gefängnisses drehte. Vier Männer erschienen im Rahmen. Sowohl ihre Hüte als auch ihre Röcke zierte das schwarz-silberne Wappen der Stadt, auf ihrer Brust prangte ein Reichsadler. Als einer von ihnen mit steinernem Gesicht auf sie zutrat und ihre Arme ergriff, bekam Zehra weiche Knie. Draußen auf dem Gang blickte ihr das bleiche Gesicht ihres Bruders entgegen, der zwischen Martin und ihrem Verlobten, Nikolaus, stand.
Auf dessen Miene war deutlich Empörung zu lesen. Und irgendwie war der Verrat, den er an ihr beging, als er sich brüsk abwandte, schlimmer als alles andere. Zehra verzog schmerzhaft den Mund, da der Gerichtsdiener ihr die Hände auf den Rücken band, und ließ sich widerstandslos von ihm aus der Kammer führen.
Taub und blind für das Getuschel und die anklagenden Blicke des Gesindes stieg sie auf wackeligen Beinen die Stufen hinab und durchquerte – flankiert von den Bütteln – die Halle.
Als sie das Doppeltor durchschritten, schlug ihr eisige Kälte ins Gesicht. Sie war froh, dass einer der Wächter ihr die Heuke um die Schultern gelegt hatte. Links und rechts der Gasse starrten sie Schaulustige und Nachbarn an, von denen etliche mit Fingern auf sie zeigten. Nach einigen Schritten flogen die ersten Pferdeäpfel und anderer Unrat, doch die Büttel bleckten drohend ihre Waffen und sorgten so für Ruhe.
»Ich wusste schon immer, dass sie eine Hexe ist«, zischte es irgendwo zu ihrer Rechten. »Bei Vollmond reibt sie sich mit Hexensalbe
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