Der Teufelsfürst
fauchte: »Niemand wird es jemals wieder wagen, sich mir zu widersetzen!« Speichel sprühte von seinen Lippen, und sein Kopf schien platzen zu wollen, als er Radu am Kragen in die Höhe riss und ihn wie einen leeren Sack schüttelte. In der Zwischenzeit verwandelte sich der zersplitterte Baumstumpf wie von selbst in einen angespitzten Pfahl, dessen weißes Holz in der Sonne leuchtete. Unter größten Mühen gelang es Vlad schließlich, dem Prinzen den Weg zu vertreten, als dieser Radu auf den Pfahl zustieß. »Lasst ihn sofort los!«, forderte er und holte aus, um Mehmet einen Schlag zu versetzen. Aber seine Hand durchschnitt nicht nur die Luft, sondern auch das Gesicht des Prinzen, ohne dabei den geringsten Schaden anzurichten. Dieser durchtrennte mit der Klinge seines Yatağans Radus Kleider, bis der Knabe splitternackt vor ihm stand. Dann hob er ihn vom Boden auf, als wöge er nicht viel mehr als eine Feder, und rammte ihn mit der Rückseite voraus auf den angespitzten Pfahl. Als sich der Mund des Knaben zu einem Schrei öffnete, trat die hölzerne Spitze dort wieder aus und wurde zu einer dunkelroten Schlange. Einen schrecklichen Moment lang musste Vlad dabei zusehen, wie sich sein Bruder vor Schmerzen wand.
Dann allerdings verdunkelten schwarze Wolken den Himmel und eine dröhnende Stimme hallte daraus hervor: »Das soll fortan die Strafe derjenigen sein, welche die Sünde des Volkes von Lot begehen!« Ein Donnerschlag folgte, und als sich die Wolken wieder verzogen, war es Prinz Mehmet, der schreiend versuchte, dem Pfahl zu entkommen. Vlads Bruder Radu war wie durch ein Wunder davon befreit worden und stand vollkommen gesund neben ihm. Derweil sich seine kleine Hand in die des Älteren schob, erstrahlte sein Gesicht in einem Lächeln. Mit erstaunlicher Kraft drückte er die Finger seines Bruders zusammen, als Mehmets Körper immer weiter nach unten rutschte.
So groß war der Druck, den Radu auf Vlads Hand ausübte, dass diesem ein Stich durch den Arm fuhr. Hatte sich sein Körper vorher leicht und luftig – beinahe wie der eines Geistes – angefühlt, überkam ihn plötzlich eine Schwere, die sich mit jedem Atemzug weiter in ihm ausbreitete. Während das Bild vor seinen Augen zu flimmern anfing und sich allmählich auflöste, stach ihm der schwere Geruch von Harz und Räucherwerk in die Nase. Der Anblick des sterbenden Mehmet verpuffte in einer Wolke aus hässlichen Farben. Gleichzeitig erwachten seine anderen Sinne zum Leben. Etwas Kühles klebte an seiner Schulter. Auch sein Rücken fühlte sich nicht mehr an, als stünde er in Flammen. Jemand umklammerte tatsächlich seine Hand. Als er mühsam die verkrusteten Augen aufschlug, sah er die Gestalt seines Bruders am Rand des Bettes, in dem er offenbar lag. Gedämpfte Stimmen und das Huschen von Füßen verwirrten ihn einen Augenblick lang, doch dann erinnerte er sich daran, wo er war. Es war alles nur ein Traum gewesen! Er war im Darüssifa – dem Palasthospital –, wo sich ein Hekim um ihn kümmerte. Auch wenn die Lichtstrahlen wie Dolche in sein Gehirn fuhren, zwang er sich zu blinzeln, um Radu besser erkennen zu können. Steif und reglos hielt dieser zwar Vlads Hand, aber seine Gedanken schienen an einem weit entfernten Ort zu sein. Die blauen Augen mit den langen Wimpern lagen auf Vlads Gesicht. Allerdings zeigte der Junge keinerlei Reaktion, als dieser mit kratziger Stimme fragte: »Wie lange bin ich schon hier?« Auch wenn ihm die Bewegung Schmerzen bereitete, schob Vlad sich ein wenig in den Kissen nach oben. »Radu, seit wann bin ich schon hier?« Keine Regung in den bleichen Zügen des Knaben verriet, dass dieser seinen Bruder gehört hatte. Anstatt zu antworten, starrte er lediglich weiter auf einen Punkt irgendwo zwischen Vlads Mund und Nase, während sich seine Finger weiter verkrampften. »Radu«, krächzte Vlad, dem jedes Wort schwerfiel. Sowohl seine Augen als auch sein Rachen fühlten sich an, als habe jemand Sand hineingestreut, und der Geschmack in seinem Mund verursachte ihm Übelkeit. »Er redet nicht«, sagte jemand hinter ihm. Kurz darauf trat ein junger Mann in einem weißen Kaftan an sein Lager. »Er hält seit beinahe zwei Tagen deine Hand. Und nichts und niemand kann ihn dazu bewegen, sich schlafen zu legen.« Mit einem mitleidigen Ausdruck auf dem bartlosen Gesicht legte der junge Mann Radu die Hand auf den dunklen Schopf.
»Jetzt ist alles gut«, sagte er. »Keine Angst, er wird wieder gesund. Geh und iss etwas.« Als Radu
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