Der Teufelsfürst
Wenngleich Vlad die Zähne aufeinanderbeißen musste, um nicht aufzuschreien, als Radu seine Verletzungen berührte, gab er keinen Laut von sich. Stattdessen ließ er zu, dass sein Bruder erneut nach seiner Hand griff und seinen Arm umklammerte. Reglos wartete er, bis der Atem des Jüngeren flacher wurde, bevor auch er die Augen schloss und ermattet einschlief.
Kapitel 13
Ulm, Februar 1447
Der eisige Wind, der Ulrich von Helfenstein entgegenpfiff, drang durch sämtliche Kleiderschichten. Nachdem er und seine Männer wegen der Kälte einen Umweg über ein Kloster gemacht hatten, tauchte nun endlich das Ulmer Glöcklertor vor ihnen auf, und er atmete erleichtert durch. Trotz des warmen Umhangs war er bis auf die Knochen durchgefroren und sehnte sich nach einem Becher kochend heißen Würzwein.
Sobald er sich ein wenig aufgewärmt hatte, wollte er die wertvollen Papiere im Futter seines Rockes zu seinem Bancherius bringen und mit diesem Winkelzüge ersinnen, welche es ihm gestatteten, einen Großteil der Geldsumme für sich zu behalten. Der ruhige Schimmel unter ihm schnaubte, als ob er zustimmen wollte. Ulrich klopfte ihm den Hals. Auch wenn ihm das zuverlässige Tier lieb geworden war, würde er es schon bald gegen ein temperamentvolles Vollblut austauschen, das Eindruck bei den Damen machen würde. Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Vielleicht gelang es ihm bei dem Turnier im Sommer sogar, eine der reichen Edeltöchter für sich zu gewinnen und damit auch eine gewiss nicht unbeträchtliche Mitgift. Dann konnte er endlich den Dienst beim Grafen Ludwig von Württemberg aufkündigen und ein Leben führen, wie es ihm selbst als Graf eigentlich zustand. Seine Miene verfinsterte sich. Was waren das nur für Zeiten, in denen ein Graf dem anderen dienen musste? Ehe ihm diese Gedanken die Laune verderben konnten, erreichten sie das Tor und entrichteten den Torzoll. Dann ritten sie die Glöcklergasse entlang und wandten sich nach links, um über den Henkersgraben zum Saumarkt zu gelangen. Dort schlugen sie eine andere Richtung ein und trabten den leichten Anstieg zum Weinhof hinauf, wo der Luginsland weithin sichtbar in den Himmel ragte. Beim Anblick der Häuser, die sich um dieses Überbleibsel der ehemaligen Königspfalz angesammelt hatten, rümpfte Ulrich die Nase. Die Ulmer schienen die Steine der alten Burg zum Bau dieser Behausungen verwendet zu haben.
Zudem schloss noch das lächerlich windschiefe Schwörhäuslein an den Wehrturm an, vor dem sich die Stadtregierung und die Bürgerschaft alljährlich gegenseitig Beistand und Treue schworen. Wie er die Städter und deren Arroganz hasste! Was war nur aus der guten, alten Zeit geworden, als es einen klaren Unterschied zwischen Adel und Nichtadeligen gab? Als einem bewaffneten Berittenen noch Respekt entgegengebracht wurde?
Sein Missmut kehrte zurück. Er bedeutete seinen Gefolgsleuten, ihm in die Kronengasse zu folgen. Auf keinen Fall würde er in einem geringeren Gasthof nächtigen als der Krone !
Selbst Kaiser Sigismund war seinerzeit beim Kronenwirt abgestiegen, der von diesem sogar zum Dienstmann mit dem goldenen Schild erhoben worden war. Sie hatten gerade dem Weinhof den Rücken gekehrt und waren in die breite Gasse eingebogen, als sie keine fünfzig Schritte vor sich einen Menschenauflauf ausmachten. Vor dem Rathaus tummelten sich Hunderte von Männern und Frauen, die aufgeregt durcheinander riefen. Aus allen Himmelsrichtungen strömten weitere Schaulustige herbei, und schon bald waren Pferde und Reiter zwischen dem Fußvolk eingekeilt. Was immer es war, das die Ulmer anzog wie Dung die Fliegen, konnte Ulrich nicht erkennen. Aber er hatte ohnehin alle Hände voll zu tun, seinen Schimmel durch das immer dichter werdende Getümmel zu seinen Füßen zu lenken. »Aus dem Weg!«, forderte Conz von Berkach, einer seiner Ritter. »Macht schon Platz!« Aber weder sein Schwert noch sein stampfendes Ross konnten die Neugierigen dazu bewegen, seinem Befehl Folge zu leisten. »Hier ist kein Durchkommen«, bemerkte Jörg von Berg nach einigen Momenten des Drängens und Schimpfens. »Wenn Ihr nicht wollt, dass die Pferde scheuen, sollten wir schleunigst kehrtmachen.« Ulrich schüttelte den Kopf. »Ihr vier«, befahl er und zeigte auf vier der niedrigeren Dienstmannen. »Ihr reitet vor und sorgt dafür, dass der Pöbel Platz macht. Nehmt die Peitschen zu Hilfe, wenn alles andere nichts bringt«, fügte er hinzu und griff selbst nach dem Ochsenziemer an seinem Sattel.
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