Der Teufelsfürst
den Böttcher«, hörte Sophia jemanden hinter sich ausspucken. »Wer weiß, wen sie sonst noch verhext hat!« Eine tiefere Stimme brummte: »Vermutlich gehen die Geschäfte nur so gut, weil sie die anderen Fernhändler mit einem Fluch belegt hat.«
Immer mehr Ulmer mischten sich ein, und schon bald überschlugen sich die Anschuldigungen. Sophia, der die brodelnde Menge Angst einjagte, drängte sich näher an ihren Vater. Dieser hatte die Hand an den Schwertknauf gelegt und schien sich ebenso unwohl zu fühlen wie seine Tochter. Lediglich Helwig betrachtete ihre Umgebung mit gelassenem Interesse. »So sieht also eine Hexe aus«, murmelte die alte Frau, und ein zynisches Lächeln umspielte ihren Mund. Nein, dachte Sophia.
So sieht keine Hexe aus. Wenn du eine Hexe sehen willst, musst du lediglich in den Spiegel sehen! Sie erschrak vor den eigenen Gedanken und zuckte unwillkürlich zusammen. Ihre Großmutter schien zu merken, dass etwas nicht stimmte, da sie sich zu ihrer Enkelin umwandte und diese kritisch ins Auge fasste. »Keine Angst, das sind harmlose Narren.« Sophia schluckte – froh darüber, dass Helwig ihr Unbehagen offenbar falsch gedeutet hatte.
Ahnte sie denn nicht, dass Sophia wusste, was sie in den Vollmondnächten tat? Sie spürte, wie sich jedes einzelne Haar in ihrem Nacken aufrichtete. Sollte Helwig tatsächlich im Dunkeln tappen? War Sophia wirklich all die Jahre unentdeckt geblieben, in denen sie ihrer Großmutter nachts nachgeschlichen war, wenn diese mit einer kleinen Sichel Kräuter im Burggarten schnitt; um diese in einer Kammer unter dem Dach des Palas zu zerstoßen oder mit anderen Dingen zu vermengen? Unheimlichen Dingen. Das Unbehagen verstärkte sich. Ihre Großmutter war eine Hexe, dessen war sie sich vollkommen sicher. So sicher, dass sie stets mehrere Kruzifixe um den Hals trug und sich entsetzlich vor ihr fürchtete. Zwar hatte sie bereits mehrmals Anlauf dazu genommen, ihrem Beichtvater von ihrem Verdacht zu berichten, doch immer hatte sie in letzter Sekunde der Mut verlassen. Was, wenn die Macht der Kirche nicht ausreichte, um sie vor Helwig zu schützen?
Sie umklammerte den Arm ihres Vaters. Wenn sogar er es nicht wagte, der alten Frau die Stirn zu bieten … Das Geschrei der Schaulustigen riss sie aus den Gedanken. Sie hoffte inständig, dass sie den Marktplatz bald verlassen konnten. Allmählich kroch die Kälte der Pflastersteine durch die Sohlen ihrer Stiefel, und auch ihre Finger wurden immer steifer. Nach der Hitze im Ratssaal erschien der Februartag frostiger, als er eigentlich war. Mit klappernden Zähnen rieb sie die Hände aneinander und schmiegte sich dankbar an ihren Vater, als dieser von hinten den Arm um sie schlang. »Geht weiter!« Ein halbes Dutzend Stadtwächter tauchte aus einer kleinen Hütte neben dem Rathaus auf und fuchtelte mit Holzstöcken herum.
»Es gibt nichts mehr zu sehen.« Die Gefangene schien am Metzgerturm angekommen zu sein, da die blitzenden Spieße ihrer Bewacher sich senkten und kurz darauf verschwanden.
»Los doch, geht nach Hause an eure Arbeit!« Murrend wichen die Ulmer vor den Stöcken zurück, da keiner Lust zu verspüren schien, Bekanntschaft damit zu machen. Innerhalb kurzer Zeit waren nur noch die Reichen und Adeligen übrig, deren Pferde in einem flachen Stallgebäude untergebracht worden waren. Während sie darauf warteten, dass ein Bursche ihnen ihre Reittiere brachte, dachte Sophia: Das arme Mädchen! Was, wenn sie tatsächlich verurteilt wird? Welches Schicksal steht ihr dann bevor?
Kapitel 12
Edirne, Sultanspalast, Februar 1447
»Ich werde die Welt beherrschen!« Wie ein irrer Kobold hüpfte Prinz Mehmet vor Vlad Draculea auf und ab und schlug immer wieder mit seinem Krummschwert nach ihm.
Obwohl er den jungen Walachen an Brust, Kopf, Armen und Beinen traf, floss kein Blut, was Mehmet mehr und mehr in Rage zu bringen schien. Über ihm erhob sich der volle Wipfel eines Feigenbaumes, in dem Vlads Bruder Radu sich wie ein Äffchen an einem Ast festklammerte. »Ich werde größer sein als Julius Caesar und Alexander zusammen«, raste der Prinz weiter und begann damit, den Baum zu fällen. Machtlos, da ihm sein Körper nicht zu gehorchen schien, musste Vlad mit ansehen, wie sich die Krone allmählich dem Boden näherte, bis Radu auf das seltsamerweise graue Gras purzelte.
Dort blieb er regungslos liegen und starrte in den Himmel, an dem eine Schar Schwäne vorbeizog. Der erboste Prinz beugte sich drohend über ihn und
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