Der Thron der roten Königin
glimmenden Resten, als fehlte es uns in dieser warmen Juninacht an Wärme. Ich zünde Kerzen an, als wollte ich die Dunkelheit mit dem jagenden Keiler vertreiben. Ich berühre das Kreuz, das ich um den Hals trage. Ich bekreuzige mich. Stanley hat den Schrecken der Nacht mit sich in mein Zimmer gebracht; es ist, als sei ihm der Atem des Keilers auf der Spur, als habe er ihn gewittert, selbst jetzt, hier, an diesem Ort.
«Glaubst du, Richard misstraut dir?»
Er sieht mich an. «Ich habe nichts getan, als ihn zu unterstützen. Aber es war so ein schlimmer Traum … das lässt sich nicht leugnen. Margaret, ich bin angsterfüllt wie ein Kind aufgewacht. Ich bin von meinem eigenen Hilfeschrei wach geworden.»
«Wenn er dir misstraut, misstraut er auch mir», sage ich. Stanleys Angst ist so groß, dass sie sich auf mich überträgt. «Und ich habe, wie wir es besprochen haben, der Königin Botschaften geschickt. Kann er wissen, dass ich gegen ihn agiere?»
«Könnten deine Botschaften irregeleitet worden sein?»
«Auf meinen Mann kann ich mich verlassen. Und sie ist keine Närrin. Aber warum sollte er sonst an dir zweifeln?»
Er schüttelt den Kopf. «Ich habe nichts getan, außer mit Hastings zu sprechen, der durch und durch loyal ist. Er will die Nachfolge des Prinzen um jeden Preis sichern. Es ist sein letzter Akt der Liebe zu König Edward. Er hat große Angst, Richard könnte falsches Spiel mit Prinz Edward treiben. Seit Richard den Prinzen im Tower untergebracht hat, befürchtet er, etwas könne schiefgehen. Er wollte wissen, ob ich zusammen mit ihm im Kronrat insistieren würde, dass der Prinz wieder unter die Menschen kommen und seine Mutter besuchen darf, um allen zu zeigen, dass er in jeder Hinsicht frei ist. Ich glaube, er hat der Königin einen Boten geschickt, um ihr zu versichern, dass sie sicher ist und aus ihrem Versteck kommen kann.»
«Weiß Hastings, dass Richard seiner Frau befohlen hat, zu Hause zu bleiben? Glaubt er, Richard könnte die Krönung verschieben, um seine eigene Regentschaft zu verlängern?»
«Ich habe ihm gesagt, dass Anne Neville kein Krönungsgewand hat. Er hat augenblicklich geschworen, Richard plane nicht ernsthaft, seinen Neffen zum König zu krönen. Das befürchten wir allmählich alle. Aber ich kann nichts Schlimmeres erkennen, als dass Richard die Krönung verschiebt, vielleicht um einige Jahre, vielleicht sogar, bis der Junge einundzwanzig ist. Er verschiebt die Krönung, damit er regieren kann.» Er springt auf seine nackten Füße und geht mit großen Schritten im Raum auf und ab. «Um Gottes willen, Richard war der loyalste Bruder, den Edward sich jemals wünschen konnte! Er hat bisher nur seine Loyalität zum Prinzen erklärt. Er ist sein eigener Neffe! Seine Feindseligkeit richtet sich allein gegen die Königinwitwe, nicht gegen Edwards Sohn. Und der Junge ist nun ganz in seiner Hand. Gekrönt oder nicht, wenn Richard ihn von seiner Mutter und seiner Verwandtschaft fernhält, kann Prinz Edward nur ein Marionettenkönig sein.»
«Aber der Traum …»
«Der Traum handelte von einem Keiler, wild entschlossen zur Macht und zum Töten. Er war eine Warnung; er muss eine Warnung gewesen sein.»
Wir schweigen. Im Kamin fällt ein Holzscheit herunter, und wir zucken zusammen.
«Was hast du vor?», frage ich ihn.
Er schüttelt den Kopf. «Was würdest du tun? Du glaubst, dass Gott zu dir spricht und dich in deinen Träumen warnt. Was würdest du tun, wenn du geträumt hättest, der Keiler sei hinter dir her?»
Ich zögere. «Du denkst doch wohl nicht daran wegzulaufen?»
«Nein, nein.»
«Ich würde im Gebet um Führung bitten.»
«Und was würde dein Gott sagen?», fragt er mit einem Anflug seines gewohnten Sarkasmus. «Normalerweise kann man sich darauf verlassen, dass er dir rät, dich um Macht und Sicherheit zu bemühen.»
Ich setze mich auf einen Schemel ans Feuer und sehe in die Flammen, als wäre ich eine arme Frau, die die Zukunft vorhersagt, als wäre ich Königin Elizabeth mit ihren Hexenkünsten. «Wenn sich Richard gegen seinen Neffen wendet, gegen beide Neffen, wenn er irgendwie verhindert, dass sie ihr Erbe antreten, und sich selbst an ihrer statt auf den Thron …» Ich halte inne. «Sie haben keine mächtigen Beschützer mehr. Die Flotte hat gegen ihren Onkel gemeutert, ihre Mutter ist im Asyl, ihr Onkel Anthony steht unter Arrest …»
«Was dann?»
«Gesetzt den Fall, Richard würde den Thron an sich reißen und seine Neffen weiter im Tower
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