Der Thron der roten Königin
Junge wird König von England. Wir werden sehen, wer die Herrschaft eines Sohns der Rivers überlebt, auf dessen Haupt die mächtigste Krone der Welt sitzt und der einzig und allein von seiner Mutter gelenkt wird: einer treulosen Hexe im Versteck. Nur wenige Männer werden Edward vertrauen, und niemand vertraut seiner Mutter.
Sei es, wie es sein möge, welcher Sohn des Hauses York würde je freiwillig die Macht aufgeben? Welches Kind aus dem Hause York würde sich je dazu überwinden, auf den Thron zu verzichten? Richard wird doch dem Sohn einer Frau, die ihn hasst, gewiss nicht Krone und Zepter überreichen? Welche Zweifel auch an uns nagen, bei uns allen wird Maß genommen für die Krönungsroben, und für die königliche Prozession wird an der Westminster Abbey ein Laufsteg gebaut. Die verwitwete Königin Elizabeth muss das Hämmern und Sägen über ihrem Kopf ertragen, während sie in den niedrigen Kammern ihrer Freistatt unter der Abtei umherschleicht. Der Kronrat ist in aller Form mit einer Forderung bei ihr vorstellig geworden: Sie soll ihren neunjährigen Sohn Richard zu seinem zwölfjährigen Bruder in den Tower schicken. Das konnte sie ihnen nicht abschlagen, denn es gab keinen Grund für eine Weigerung, sieht man von ihrem Hass auf Herzog Richard ab, und so musste sie nachgeben. Nun warten die beiden edlen Knaben in den königlichen Gemächern auf den Krönungstag.
Man hat mir die Aufgabe übertragen, die Anfertigung der Krönungsroben zu überwachen, und deswegen treffe ich mich mit der Schneiderin und ihren Nähdirnen, um zu besprechen, welche Kleider die Königinwitwe Elizabeth, die Prinzessinnen und die anderen Hofdamen tragen werden. Wir bereiten die Gewänder in der Annahme vor, dass die Königin für die Krönung aus ihrem Kirchenasyl kommt und wie üblich prächtig gekleidet zu sein wünscht. Wir überwachen die Zofe beim Ausbürsten der königlichen Hermelinrobe und die Näherinnen beim Anbringen von Schildpattknöpfen. Da lässt die Schneiderin die Bemerkung fallen, Richards Gemahlin, Anne Neville, Duchess of Gloucester, habe sich ihr Staatsgewand noch nicht schicken lassen.
«Ihre Anweisung ist gewiss irgendwo verloren gegangen», bemerke ich. «Was sie zur Krönung tragen will, kann sie unmöglich auf ihrer Burg in Sheriff Hutton verwahren. Ein neues Kleid kann sie nicht bestellt haben – es würde nicht rechtzeitig fertig werden.»
Achselzuckend zieht sie ein Kleid mit samtenem Saum aus einer Leinenhülle und breitet es zur Begutachtung vor mir aus. «Ich weiß es nicht. Aber ich habe keine Anweisung für ihr Gewand erhalten. Was soll ich tun?»
«Bereite eines in der richtigen Größe für sie vor», sage ich scheinbar beiläufig und wende mich ab, um mit einem der Mädchen zu sprechen.
Ich eile nach Hause zu meinem Gemahl. Er fertigt gerade die Einberufungen an, die jeden Sheriff Englands zur Krönung des jungen Königs nach London einbestellen. «Ich bin beschäftigt. Worum geht es?», fragt er unhöflich, als ich den Kopf durch die Tür stecke.
«Anne Neville hat kein Gewand für die Krönung bestellt. Was hältst du davon?»
Er denkt genau dasselbe wie ich und genauso geschwind wie ich. Er legt die Feder nieder und winkt mich zu sich. Als ich die Tür hinter mir schließe, überkommt mich ein leichter Freudentaumel, weil ich mich mit ihm verschwören kann. «Sie tut nie etwas auf eigene Veranlassung. Ihr Gemahl muss ihr befohlen haben, nicht zu erscheinen», denkt er laut vor sich hin. «Aber warum?»
Ich antworte nicht. Er wird es schnell durchschauen.
«Sie hat kein Gewand, folglich kommt sie auch nicht zur Krönung. Er wird ihr gesagt haben, dass sie nicht kommen soll, denn er muss beschlossen haben, dass es keine Krönung geben wird», sagt er ruhig. «Und all dies», er deutet auf die Papierstapel, «all dies dient nur dazu, uns zu beschäftigen und uns glauben zu machen, der Junge werde wirklich gekrönt.»
«Vielleicht hat er sie gewarnt, nicht zu kommen, weil er fürchtet, in London könnte es einen Aufstand geben. Vielleicht möchte er sie zu Hause in Sicherheit wissen.»
«Wer sollte denn einen Aufstand anzetteln? Alle wünschen sich doch, dass der Prinz von York gekrönt wird. Es gibt nur einen einzigen Menschen, der nicht möchte, dass er König wird, genauso wie es nur einen einzigen Menschen gibt, der davon profitieren würde.»
«Richard, Duke of Gloucester, persönlich?»
Mein Gemahl nickt. «Was fangen wir mit dieser kostbaren Information an? Wie sollen wir
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