Der Thron der roten Königin
wird Richard als seinen Feind betrachten», bemerke ich. «Nach dem Vorgefallenen kann er ihn nicht mehr Lord Protector nennen. Er wird ihn für ein Ungeheuer halten.»
Stanley schüttelt den Kopf.
«Was wird aus uns?»
Seine Zähne schlagen aufeinander. Ich stelle die Schüssel weg und wickele ihm eine Decke um die Schultern.
«Das weiß nur Gott allein. Wir stehen wegen Hochverrats unter Hausarrest; sie verdächtigen uns, mit der Königin und Hastings unter einer Decke zu stecken. Auch deinen Freund Morton und Rotherham haben sie mitgenommen. Ich weiß nicht, wie viele andere. Richard hat sich vermutlich des Throns bemächtigt und treibt jetzt alle zusammen, die er für seine Gegner hält.»
«Und die Prinzen?»
Er stottert vor Schock. «Ich weiß es nicht. Richard könnte sie einfach töten, wie er Hastings getötet hat. Er könnte das Asyl brechen und die gesamte königliche Familie ermorden: die Königin mit ihren kleinen Mädchen, alle miteinander. Heute hat er uns gezeigt, dass er es kann. Vielleicht sind sie gar schon tot?»
***
Nach und nach treffen Nachrichten von der Welt draußen bei uns ein, die Hausmädchen bringen sie als Gerüchte vom Markt. Richard lässt verlautbaren, die Ehe zwischen Elizabeth Woodville und König Edward sei ungültig gewesen, da Edward vor dieser heimlichen Eheschließung bereits mit einer anderen Dame von Stand verheiratet war. Mit einem Streich erklärt er ihre Kinder zu Bastarden und sich selbst zum einzigen legitimen Erben des Hauses York. Der feige Kronrat, der darüber wacht, dass Hastings’ kopfloser Leichnam neben dem seines geliebten Königs begraben wird, tut nichts, um Königin und Prinzen zu beschützen. Heraus kommt eine hastige, einstimmige Vereinbarung, dass es nur einen Thronerben gibt: Richard.
Richard und mein Verwandter Henry Stafford, Duke of Buckingham, bringen in Umlauf, König Edward selbst sei ein Bastard gewesen, der uneheliche Sohn eines englischen Bogenschützen und der Herzogin Cecily, aus der Zeit, als sie sich mit dem Duke of York in Frankreich aufhielt. Die Leute hören diese Verleumdungen – und Gott allein weiß, was sie sich dabei denken. Das einzig Unmissverständliche ist das Eintreffen der Armee aus den nördlichen Grafschaften, die ganz allein Richard ergeben ist, begierig auf Belohnung. Es ist auch nicht zu leugnen, dass alle Männer, die Prinz Edward die Treue halten könnten, verhaftet sind oder tot. Jeder denkt an die eigene Sicherheit. Niemand erhebt seine Stimme.
***
Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich freundlich an die Frau denken, der ich fast zehn Jahre gedient habe, Elizabeth Woodville, die Königin von England war und eine der schönsten und beliebtesten Königinnen, die das Land jemals hatte. Ich fand sie nie schön, und ich habe sie auch nicht geliebt. Erst jetzt, in einer flüchtigen Anwandlung, in diesem Moment ihrer vollkommenen Niederlage. Ich denke an sie im feuchten Halbdunkel ihrer Freistatt in Westminster. Daran, dass sie nie wieder triumphieren wird, und zum ersten Mal in meinem Leben kann ich auf die Knie gehen und wirklich für sie beten. Sie hat nur noch Töchter bei sich, und das Leben, das sie so genossen hat, ist vorüber. Ihre beiden jungen Söhne werden von ihrem Feind gefangen gehalten. Ich denke an sie, wie sie vernichtet, verängstigt und verwitwet um ihre Söhne bangt. Zum ersten Mal im Leben spüre ich, dass sich mein Herz ihr öffnet: eine tragische Königin, die nicht über eigene Fehler gestürzt ist. Ich bete zu Unserer Lieben Frau, der Himmelskönigin, damit sie ihr beisteht und ihrer elenden, verlorenen Tochter in den Tagen ihrer Erniedrigung Trost spendet.
Ihre älteste Tochter, Prinzessin Elizabeth, ist längst im heiratsfähigen Alter und nur aufgrund des unbeständigen Glücks ihres Hauses mit ihren siebzehn Jahren noch unvermählt. Während ich auf den Knien für die Gesundheit und Sicherheit der Königin bete, denke ich über ihre hübsche Tochter Elizabeth nach. Was für eine Gemahlin würde sie doch für meinen Sohn Henry abgeben! Der Sohn Lancasters und die Tochter Yorks würden Englands Wunden heilen und den Kriegen zweier Generationen ein Ende setzen. Sollte Richard sterben, nachdem er den Thron bestiegen hat, wäre sein Erbe noch ein Kind; ein kränklicher Neville-Sprössling, ebenso unfähig, seinen Anspruch zu verteidigen wie die Prinzen Yorks, und so leicht niederzuwerfen wie sie. Wenn mein Sohn dann den Thron besteigen und die Prinzessin von York heiraten würde,
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