Der Thron der roten Königin
geprägten Gürtel haben sie abgelegt. Nichts weist darauf hin, dass sie unserem Haus angehören, und sie sind darauf eingeschworen zu behaupten, die Königin habe sie rekrutiert und sie dienten allein ihr. Sobald sie fort sind, schreibt der Bruder meines Gemahls, Sir William Stanley, dem Kommandanten des Towers, Sir Robert Brackenbury, einen Brief, um ihn vor einem Angriff zu warnen. Unmittelbar nach dem Sturm auf den Tower wird er ausgeliefert. «Sei immer auf beiden Seiten, Margaret», hat William fröhlich zu mir gesagt, als er den Brief mit dem Emblem unseres Hauses versiegelte, damit jeder unsere Treue erkennen kann. «Das ist die Losung meines Bruders. Erwecke zumindest immer den Eindruck, auf beiden Seiten zu sein.»
Dann muss ich warten.
Ich gebe mich, als wäre es ein Abend wie jeder andere. Nach dem Abendessen verweile ich in Anwesenheit des ganzen Haushalts noch etwas in der großen Halle, bevor ich mich in meine Gemächer begebe. Meine Zofen entkleiden mich zur Nacht. Ich entlasse alle, sogar das Mädchen, das in meinem Gemach schläft, und behaupte, ich würde die Nacht hindurch beten. Das tue ich oft, es erregt kein Aufsehen. Ich bete tatsächlich eine Weile, dann lege ich mir einen warmen Umhang um die Schultern, ziehe den Stuhl ans Feuer und warte.
Ich denke an den Tower als an einen hohen Wegweiser, der himmelan zu Gott zeigt. Die Männer der Königin werden das Areal durch ein kleines, offenstehendes Ausfalltor betreten; meine Männer folgen ihnen auf den Fersen. Der Duke of Buckingham hat mir einen kleinen Trupp gut ausgebildeter Soldaten geschickt, die durch eine kleine Tür in den White Tower vorzudringen versuchen. Vielleicht schaffen sie es sogar die Treppe hinauf, bevor sie entdeckt werden, dann kämpfen sie sich, Mann gegen Mann, den Weg frei zu den Gemächern der Prinzen, brechen ein, und wenn die Jungen aufspringen, weil sie sich in Freiheit dünken, stoßen sie ihnen die Dolche in den Bauch. Prinz Edward ist ein tapferer Junge, der von seinem Onkel Anthony in der Waffenkunst unterrichtet wurde. Es ist durchaus möglich, dass er sich wehrt. Richard ist erst neun, aber er könnte zur Warnung schreien oder sich sogar vor seinen Bruder stellen, um den Hieb abzufangen – er ist ein yorkistischer Prinz, er kennt seine Pflicht. Doch das Metzeln muss rasch und resolut durchgeführt werden. Dann ist das Haus York bis auf König Richard erloschen, und mein Sohn ist dem Thron zwei Schritte näher. Darüber muss ich mich freuen. Darauf muss ich hoffen.
In den frühen Morgenstunden, als der Himmel sich eben grau zu tönen beginnt, ist an meiner Tür ein Kratzen zu hören, bei dem mein Herz wild zu pochen beginnt, und ich eile zur Tür, um sie zu öffnen. Draußen steht der Hauptmann der Wache, das schwarze Wams zerrissen, auf der Wange ein dunkelblauer Fleck. Wortlos lasse ich ihn ein und schenke ihm einen Krug Dünnbier ein. Mit einer Geste bedeute ich ihm, sich ans Feuer zu setzen, doch ich bleibe hinter meinem Stuhl stehen und umklammere die geschnitzte Lehne mit meinen Händen, damit sie nicht so sehr zittern. Ich fürchte mich wie ein Kind, das etwas Böses getan hat.
«Es ist fehlgeschlagen», sagt er barsch. «Die Jungen waren besser bewacht, als wir dachten. Der Mann, der uns einlassen sollte, wurde niedergestochen, während er noch an dem Riegel herumhantierte. Wir haben ihn schreien hören. Also mussten wir die Tür einrammen, und während wir versucht haben, sie aus den Angeln zu heben, sind die Tower-Wachen aus dem Hof hinter uns gekommen, und wir mussten uns umdrehen und kämpfen. Wir waren zwischen dem Turm und den Wachen eingekeilt und mussten uns unseren Weg freikämpfen. Wir sind nicht einmal in den White Tower hineingelangt. Ich habe gehört, wie innen Türen zugeschlagen wurden, auch Gebrüll war zu hören, als die Prinzen weiter ins Innere des Towers gebracht wurden. Sobald Alarm geschlagen worden war, war jede Chance dahin, zu ihnen zu gelangen.»
«Waren sie gewarnt? Wusste der König, dass ein Angriff geplant war?» Und wenn ja, weiß der König, wer an der Verschwörung beteiligt ist?, denke ich. Wird der Keiler sich wieder gegen uns wenden?
«Nein, es war kein Hinterhalt. Es ist ihnen nur sehr schnell gelungen, die Wachen zu alarmieren, und sie haben die Türen geschlossen, und die eingeschleusten Spione der Königin konnten sie von drinnen nicht öffnen. Aber anfangs waren sie überrascht. Es tut mir leid, Mylady.»
«Wurde jemand gefangen genommen?»
«Wir haben
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