Der Thron der roten Königin
Zimmer nimmt und zur Amme bringt. Meine kleinen Brüste schmerzen, weil sie ihn stillen wollen, aber die Frauen haben mich genauso stramm gewickelt wie mein Kind. Wir sind beide festgezurrt, um unsere Pflicht zu tun: ein Kind, das gerade wachsen muss, und eine junge Mutter, die ihr Kind nicht stillen darf. Die Amme hat ihr eigenes Neugeborenes zu Hause gelassen, um in der Burg zu dienen. Sie wird besser essen als je im Leben und bekommt eine ordentliche Ration Ale. Sie braucht sich nicht einmal um meinen Jungen zu kümmern, sie muss nur Milch für ihn erzeugen, wie eine Milchkuh. Er wird nur zum Stillen zu ihr gebracht, die übrige Zeit kümmern sich die Kinderfrauen um ihn. Die Amme macht ein bisschen sauber, wäscht seine Windeln und Laken und hilft in seinem Zimmer aus. Sie nimmt ihn nur zum Stillen auf den Arm. Andere Frauen nehmen ihn hoch, wenn er weint. Neben seiner Wiege steht ein Schaukelstuhl, in dem er schlafen kann, und zwei Kindermädchen warten ihm auf. Sein Arzt kommt einmal die Woche, und die Hebammen bleiben bei uns, bis ich den Segen der Kirche erhalten habe und er getauft ist. Er hat ein größeres Gefolge als ich, und plötzlich begreife ich, dass das daran liegt, dass er wichtiger ist als ich. Ich bin Lady Margaret Tudor, eine geborene Beaufort aus dem Hause Lancaster, eine Cousine zweiten Grades des schlafenden Königs von England. Doch er ist sowohl ein Beaufort als auch ein Tudor. In seinen Adern fließt das königliche Blut zweier Linien. Er ist Earl of Richmond aus dem Hause Lancaster, und er ist nach dem Sohn des Königs, Prinz Edward, der nächste Anwärter auf den Thron von England.
Meine Gouvernante betritt das Zimmer. «Euer Schwager Jasper bittet Euch, seiner Namenswahl für den Jungen zuzustimmen», erklärt sie mir. «Er will dem König und Eurer Mutter schreiben, um ihnen mitzuteilen, dass er ihn Edmund Owen nennen wird, nach seinem Vater und Großvater der Tudor-Linie.»
«Nein», erwidere ich. Ich werde meinen Sohn, der mich so viel Schmerz gekostet hat, weder nach dem Mann nennen, der mich nichts als Schmerz gekostet hat, noch nach dessen dummen Vater. «Nein, ich werde ihn nicht Edmund nennen.»
«Aber Ihr könnt ihn nicht Edward taufen», wendet sie ein. «Der Sohn des Königs heißt Prinz Edward.»
«Ich werde ihn Henry nennen», erwidere ich mit Nachdruck und denke an den schlafenden König. Vielleicht wacht er ja auf für einen Jungen des Hauses Lancaster, der Henry heißt, auch wenn er die Geburt des Prinzen namens Edward verschlafen hat. «Henry ist ein königlicher Name in England, einige unserer besten und tapfersten Könige hießen Henry. Dieser Junge wird Henry Tudor sein.» Stolz wiederhole ich den Namen: «Henry Tudor.» Und ich denke bei mir, wenn der schlafende König Henry VI . tot ist, wird dieser Junge Henry VII . sein.
«Er hat Edmund Owen gesagt», wiederholt sie, als wäre ich nicht nur taub, sondern auch schwachsinnig.
«Und ich sage Henry», erwidere ich. «Das ist sein Name. Es ist entschieden. Ich habe ihn schon in meinen Gebeten so genannt. Er ist bereits so gut wie auf Henry getauft.»
Sie hebt die Augenbrauen ob meiner Entschlossenheit. «Das wird ihnen nicht gefallen», sagt sie und verlässt mein Gemach, um meinem Schwager Jasper mitzuteilen, dass das Mädchen stur ist und seinen Sohn nicht nach seinem toten Gemahl nennen will, sondern selbst einen Namen für ihn ausgewählt hat und sich nicht davon abbringen lässt.
Ich lege mich wieder in die Kissen und schließe die Augen. Mein Sohn wird Henry Tudor sein, da können sie sagen, was sie wollen.
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Frühjahr 1457
N ach der Geburt meines Sohnes muss ich mich noch sechs Wochen auf meine Gemächer beschränken, bevor ich in der Kapelle durch den priesterlichen Segen von der Sünde der Niederkunft gereinigt werden kann. Als ich in meine Zimmer zurückkehre, sind die Läden und die dunklen Vorhänge fort. Auf dem Tisch stehen Weinkrüge und Teller mit kleinen Kuchen. Jasper ist gekommen, um mir zur Geburt meines Kindes zu gratulieren. Die Kindermädchen erzählen mir, dass Jasper den Kleinen jeden Tag aufsucht, wie ein vernarrter Vater. Er sitzt an der Wiege, wenn das Kind schläft, streichelt sanft über seine Wange oder legt die großen Hände um den kleinen, fest umwickelten Kopf. Wenn der Junge wach ist, sieht Jasper zu, wie er gestillt wird, oder er steht hinter ihnen, wenn sie ihn aus den Windeln erlösen, und bewundert seine geraden Beine und starken Arme. Sie
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