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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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erzählen mir, dass Jasper sie oft bittet, ihn für einen Augenblick ungewickelt zu lassen, damit er die kleinen Fäuste und die pummeligen Füßchen betrachten kann. Sie finden es weibisch, dass er sich über die Wiege beugt, und ich pflichte ihnen bei, aber alle Tudors tun einzig und allein, was sie wollen.
    Er schenkt mir ein vorsichtiges Lächeln, und ich erwidere es. «Geht es dir gut, Schwester?», fragt er.
    «Ja», antworte ich.
    «Man hat mir berichtet, dass es eine schwere Geburt war.»
    «Ja, das war es.»
    Er nickt. «Ich habe einen Brief von deiner Mutter für dich, sie hat auch an mich geschrieben.»
    Er reicht mir ein Blatt Papier, zu einem Quadrat gefaltet und mit dem Beaufort-Familienwappen meiner Mutter mit dem Fallgatter versiegelt. Behutsam erbreche ich das Siegel und lese ihren Brief. Sie hat auf Französisch geschrieben, und sie befiehlt mir, mich mit ihr in Greenfield House in Newport, Gwent, zu treffen. Das ist alles. Kein Wort der Zuneigung, keine Frage nach meinem Sohn, ihrem Enkel. Ich erinnere mich, dass sie ihnen gesagt hat, wenn sie zwischen dem Leben des Jungen und meinem wählen müssten, dann sollten sie mich sterben lassen. Ich gehe über ihre Kälte hinweg und wende mich an Jasper. «Hat sie dir geschrieben, warum ich nach Newport kommen soll? Sie macht sich nicht die Mühe, sich mir gegenüber zu erklären.»
    «Ja», antwortet er. «Ich soll dich mit einer bewaffneten Eskorte begleiten, dein Kind soll hierbleiben. Du sollst dich mit Humphrey, Duke of Buckingham, treffen. In seinem Haus.»
    «Warum?», verlange ich zu wissen. Ich erinnere mich vage an den Herzog, das Oberhaupt einer der großen, wohlhabenden Familien des Königreichs. Wir sind entfernt miteinander verwandt. «Soll er mein neuer Vormund werden? Kannst du jetzt nicht mein Vormund sein, Jasper?»
    Er wendet den Blick ab. «Nein. Darum geht es nicht.» Er möchte mir ein Lächeln schenken, doch in seinen Augen steht Mitleid. «Du wirst wieder verheiratet, meine Schwester. Sobald das Trauerjahr abgelaufen ist, heiratest du den Sohn des Duke of Buckingham. Doch der Ehevertrag und die Verlobung werden jetzt geschlossen. Du wirst den Sohn des Herzogs heiraten: Sir Henry Stafford.»
    Ich sehe ihn an, und ich weiß, dass sich in meiner Miene das reine Entsetzen spiegelt. «Ich muss wieder heiraten?», platze ich heraus. Ich kann nur an die Qualen der Geburt denken und dass es mich beim nächsten Mal wahrscheinlich umbringt. «Jasper, kann ich mich nicht weigern? Kann ich nicht hier bei dir bleiben?»
    Er schüttelt den Kopf. «Ich fürchte nicht.»

[zur Inhaltsübersicht]
    März 1457
    E in Paket, mehr bin ich nicht – von einem Ort zum anderen gebracht, von einem Besitzer zum nächsten gereicht, nach Belieben geschnürt und wieder ausgepackt. Ein Gefäß, in das sie ihren Samen pflanzen, damit ich ihnen Söhne gebäre, diesem oder jenem hohen Adligen: für welchen, spielt kaum eine Rolle. Niemand sieht mich als das, was ich bin: eine junge Frau aus vornehmer Familie mit königlichen Verbindungen, eine junge Frau von außergewöhnlicher Frömmigkeit, die – bei Gott – ein wenig Anerkennung verdient. Aber nein, nachdem ich in einer Sänfte nach Lamphey Castle expediert wurde, reite ich jetzt auf einem fetten kurzbeinigen Pferd nach Newport. Ich muss hinter einem Diener sitzen, wo ich gar nichts von der Straße sehen und nur durch die Reihen der Bewaffneten hindurch hier und da einen Blick auf schlammige Felder und fahles Weideland erhaschen kann. Sie sind mit Lanzen und Knütteln bewaffnet und tragen das Emblem mit dem Tudor-Wappen am Kragen. Jasper reitet auf seinem Schlachtross voran; er hat sie gewarnt, auf einen Hinterhalt von Herberts Männern oder einen Überfall durch eine herumstreunende Diebesbande gefasst zu sein. Je näher wir dem Meer kommen, desto größer ist die Gefahr plündernder Piratenhorden. Die Bewaffneten sollen mich beschützen. So ist das Land, in dem ich lebe. Ein guter König, ein starker König, sollte so etwas verhindern.
    Wir reiten unter dem Fallgatter von Greenfield House durch, und das Tor fällt hinter uns dröhnend zu. Im Hof sitzen wir ab, und meine Mutter kommt zur Begrüßung heraus. Ich habe sie fast zwei Jahre nicht gesehen, seit meinem Hochzeitstag, an dem sie mir sagte, ich hätte nichts zu befürchten. Als sie jetzt zu mir tritt und ich niederknie, um ihren Segen zu empfangen, wird mir bewusst: Sie wird mir ansehen, dass ich weiß, dass sie mich an diesem Tag angelogen hat, denn

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