Der Thron der roten Königin
ich habe Todesängste ausgestanden und musste auch noch erfahren, dass sie bereit war, mich für einen Enkel zu opfern. Sie hatte nichts zu befürchten – in dem Punkt hatte sie recht. Doch ich umso mehr.
«Margaret», sagt sie leise. Sie legt mir die Hand auf den Kopf, um mich zu segnen. Sie bedeutet mir mit einer Geste, mich zu erheben, und küsst mich auf beide Wangen. «Du bist groß geworden! Und gut siehst du aus!»
Ich sehne mich danach, dass sie mich in die Arme nimmt und mir sagt, dass sie mich vermisst hat, doch das ist, als würde ich mir eine andere Mutter wünschen, und dann wäre ich ein anderes Mädchen. Sie betrachtet mich vielmehr mit kühler Anerkennung und wendet sich zur Haustür, als der Herzog herauskommt. «Dies ist meine Tochter», sagt sie. «Lady Margaret Tudor. Margaret, dies ist dein Verwandter, der Duke of Buckingham.»
Ich sinke in einen tiefen Knicks. Dieser Herzog ist sehr eigen, was seine Stellung angeht. Es heißt, er habe vor dem Parlament verhandeln lassen, wer hinter ihm zu gehen hat. Er erhebt mich und küsst mich auf beide Wangen. «Sei willkommen», sagt er. «Du bist sicher durchgefroren und müde von der Reise. Komm herein.»
Das Haus ist in einem Luxus möbliert, der mir fremd und ungewohnt ist nach den Jahren im Exil in Lamphey und Pembroke. Dicke warme Gobelins hängen vor den Steinmauern, und die Holzbalken an der Decke sind vergoldet und mit bunten Bemalungen verziert. Überall prangt das goldene Wappen des Herzogs. Die Binsenmatten auf dem Boden sind frisch und süß, sodass alle Räume leicht nach Kräutern und Lavendel duften. In sämtlichen Steinkaminen brennen Feuer, und ein Junge geht mit einem Korb herum und legt Brennholz nach. Selbst er trägt die Livree des Herzogs; es heißt, dieser unterhalte eine kleine hochgerüstete Armee, die auf seinen Befehl hin sofort marschbereit ist. Der Junge hat sogar Stiefel an. Wenn ich an die barfüßige Nachlässigkeit im Heim meines Gemahls denke, ist mir bei dieser Verlobung etwas wohler, wenn sie mich in ein Haus führen wird, das sauber gehalten wird und in dem die Dienerschaft anständig gekleidet ist.
Der Herzog bietet mir ein Glas Dünnbier an, heiß, stark gewürzt und süß, um die Kälte der Reise aus meinen Knochen zu vertreiben. Während ich es trinke, kommt Jasper mit einem älteren Mann mit grauen Schläfen und faltigem Gesicht herein, der mindestens vierzig sein muss. Ich schaue zu Jasper hinüber, damit er mir diesen Fremden vorstellt, und als ich sein ernstes Gesicht sehe, geht mir ein Licht auf. Mit einem erschrockenen Keuchen begreife ich, dass dieser alte Mann Henry Stafford ist. Vor mir steht mein neuer Gemahl. Er ist kein Junge meines Alters wie John de la Pole, mein erster Verlobter. Er ist kein junger Mann wie Edmund – und Gott weiß, dass der zu alt und hart für mich war. Nein, diesmal haben sie einen Mann ausgewählt, der alt genug ist, mein Vater zu sein, alt genug, mein Großvater zu sein, sogar mein Ahnherr. Er ist vierzig Jahre alt, fünfzig, wahrscheinlich sechzig. Ich merke, dass ich ihn anstarre und beinahe zu knicksen vergesse, bis meine Mutter mich scharf mit «Margaret!» anfährt, ich murmelnd um «Verzeihung» bitte und in einen demütigen Knicks sinke. Ich sinke vor einem Mann nieder, der mich ebenfalls zwingen wird, bei ihm zu leben, wo immer es ihm beliebt, und der mit mir einen weiteren Lancastererben zeugen wird, ob es mir nun gefällt oder nicht.
Jasper hält den Blick finster auf seine Stiefel gerichtet, doch er hebt den Kopf, um meine Mutter mit seiner gewohnten Höflichkeit zu begrüßen und sich vor dem Herzog zu verneigen.
«Ich sehe, du hast meine Tochter sicher durch diese äußerst unruhigen Zeiten gebracht», sagt meine Mutter zu ihm.
«Ich werde ganz Wales sichern, wenn es mir möglich ist», erwidert er. «Es scheint zumindest, als würden wir an Boden gewinnen. Ich habe die Burgen zurückerobert, die die yorkistischen Truppen eingenommen hatten, und William Herbert ist auf der Flucht und bleibt in Deckung. Wenn er in Wales ist, finde ich ihn. Wir Tudors werden hier sehr geliebt, irgendjemand wird ihn mir ausliefern.»
«Und dann?», fragt ihn der Duke of Buckingham. «Was dann?»
Jasper zuckt die Achseln. Er weiß, dass der Duke of Buckingham nicht nach dem Schicksal von William Herbert fragt, nicht einmal nach dem Schicksal von Wales. Er stellt die Frage, die sich jeder Engländer in diesen Tagen stellt: Was dann? Wie können wir weiterleben mit einem Hof,
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