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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Mädchen von dreizehn Jahren: Sie können mich hoch in die Luft werfen, und wenn ich hinunterstürze, lande ich unter Höllenqualen. Nur damit sie mich wieder hochwerfen können. Zehn Mal tun sie das, obwohl ich brülle und sie anflehe, doch damit aufzuhören. Dann hieven sie mich zurück ins Bett. Sie sehen mich an, als erwarteten sie, es müsste mir gleich viel bessergehen, während ich mich, halb aus dem Bett heraushängend, schluchzend übergebe.
    Ich lehne mich kurz in die Kissen zurück, und für einen gesegneten Augenblick hört das Schlimmste auf. In die plötzliche Stille hinein höre ich meine Gouvernante laut und deutlich sagen: «Euer Befehl lautet, das Kind zu retten, wenn ihr wählen müsst. Vor allem, wenn es ein Junge ist.»
    Der Gedanke, Jasper habe meine Gouvernante angewiesen, den Hebammen auszurichten, sie sollen mich sterben lassen, wenn sie zwischen meinem Leben und dem seines Neffen wählen müssen, erzürnt mich dermaßen, dass ich auf den Boden spucke und auffahre: «Oh, und wer sagt das? Ich bin Lady Margaret Beaufort aus dem Hause Lancaster …» Aber sie hören mir gar nicht zu; niemand nimmt Notiz von mir.
    «Das ist zwar richtig», pflichtet Nan ihr bei, «aber gegenüber dem Mädchen kommt es mir doch hart vor …»
    «Auf den Befehl ihrer Mutter», sagt meine Gouvernante. Nun will ich sie nicht mehr anschreien. Meine Mutter? Meine eigene Mutter soll meiner Gouvernante gesagt haben, wenn das Kind und ich in Gefahr seien, sollen sie das Kind retten?
    «Armes, kleines Mädchen. Armes, kleines Mädchen», sagt Nan, und zuerst glaube ich, sie spricht von dem Ungeborenen, vielleicht ist es ja doch ein Mädchen. Doch dann geht mir auf, dass sie von mir spricht, einem dreizehnjährigen Mädchen, dessen Mutter gesagt hat, sie könnten es sterben lassen, wenn nur ein Sohn und Erbe zur Welt kommt.
    ***
    Das Kind braucht zwei Tage und zwei Nächte, um sich unter unvorstellbaren Qualen aus mir herauszuwinden. Ich sterbe nicht, obwohl es lange Stunden gibt, in denen ich mir nichts sehnlicher wünsche, nur um dem Schmerz zu entfliehen. Sie zeigen ihn mir, kurz bevor ich im Schlaf versinke, im Schmerz ertrinke. Er hat braunes Haar und winzige Hände. Ich will die Hand nach ihm ausstrecken und ihn berühren, doch das Gebräu, das sie mir eingeflößt haben, der Schmerz und die Erschöpfung überfluten mich, und ich sinke in eine dunkle Ohnmacht.
    Als ich am Morgen aufwache, steht ein kleiner Fensterladen offen, und die Wintersonne scheint gelb durch die Butzenscheiben. Im Zimmer ist es warm, denn im Kamin glimmen noch Kohlen. Das Kind liegt in seiner Wiege, fest auf ein Brett gewickelt. Das Kindermädchen reicht es mir, doch ich kann seinen Körper gar nicht ertasten, so stramm ist es von Kopf bis Fuß in Windeln gewickelt. Man erklärt mir, der Kleine müsse an sein Brett gebunden werden, damit er Arme und Beine nicht bewegt und den Kopf ruhig hält, damit seine jungen Knochen gerade und gesund wachsen. Aber ich darf seine Füße und Hände und seinen kleinen Körper sehen, wenn sie ihn auspacken, um ihm die Windeln zu wechseln, das wird gegen Mittag sein. Bis dahin darf ich ihn halten, solange er schläft, wie eine steife kleine Puppe. Die Windel ist ums Kinn gewickelt, damit der Hals gerade bleibt, und oben auf dem Kopf mit einer kleinen Schleife zugebunden. Arme Frauen hängen ihre Säuglinge an solchen Schleifen an Deckenbalken auf, wenn sie kochen oder anderen Arbeiten nachgehen müssen, doch dieser Junge, der jüngste Spross des Hauses Lancaster, wird von einer ganzen Schar Kindermädchen gewiegt und herumgetragen werden.
    Ich lege ihn auf das Bett neben mich und betrachte sein winziges Gesicht, die kleine Nase und die gebogene Linie seiner rosigen Lider, als lächelte er mit den Augen. Er kommt mir nicht wie etwas Lebendiges vor, sondern eher wie eine in Stein gemeißelte Statue, wie man sie in Kirchen findet, daneben seine tote, steinerne Mutter. Es ist ein Wunder, dass so ein Ding gemacht wurde, dass es gewachsen und in die Welt gekommen ist. Dass ich ihn gemacht habe, fast ganz allein (denn Edmunds betrunkene Bemühungen zählen für mich nicht). Dieses winzig kleine Ding, dieses Miniaturwesen, ist Knochen von meinem Knochen und Fleisch von meinem Fleisch, und ich habe es gemacht. Ich allein.
    Nach einer kurzen Weile wacht er auf und fängt an zu weinen. Für so ein kleines Ding ist sein Geschrei unglaublich laut, und ich bin froh, dass die Kinderfrau herbeigelaufen kommt, ihn aus dem

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