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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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am Kirchenportal zu sprechen kam?»
    «Ja.»
    «Oh, Margaret, du bist so …» Sie unterbricht sich, und ich frage mich, wie ich bin, dass sie den Kopf schütteln und die Stirn runzeln muss. «Du bist so ernst.»
    «Ja.» Ich nicke. «Das stimmt. Ich bin sehr ernst, Frau Mutter. Ich hätte gedacht, das wüsstest du inzwischen. Ich war immer schon so ernst und wissbegierig. Du hast etwas über meinen Vater gesagt, und ich habe das Recht, es zu verstehen. Das nehme ich ernst.»
    Sie steht auf, tritt ans Fenster und sieht hinaus, als bewunderte sie die Nacht. Sie zuckt die Schultern über diese schwierige Tochter, ihr einziges Beaufort-Kind. Ihre Hofdame schaut zu ihr auf, ob sie etwas braucht, und ich fange ihre Blicke ab, mit denen sie sich darüber verständigen, was für ein schwieriges Mädchen ich bin. Meine Wangen glühen vor Verlegenheit.
    «Ach», seufzt meine Mutter. «Das ist alles so lange her. Wie alt bist du jetzt? Dreizehn? Um Himmels willen, das ist vor zwölf Jahren geschehen.»
    «Dann kannst du es mir auch erzählen. Ich bin alt genug. Und wenn du es mir nicht sagst, wird jemand anderes es mir verraten. Du willst doch nicht, dass ich die Dienstboten danach frage?»
    Die Röte, die plötzlich ihr Gesicht überzieht, verrät mir, dass das gar nicht in ihrem Sinne ist. Vielmehr scheint sie die Dienstboten gewarnt zu haben, mir gegenüber niemals ein Wort über diese Angelegenheit zu verlieren. Vor zwölf Jahren ist etwas geschehen, was sie am liebsten vergessen würde. Und sie möchte auch nicht, dass ich es erfahre. Irgendetwas Unehrenhaftes ist damals geschehen.
    «Wie ist er gestorben?», frage ich.
    «Durch seine eigene Hand», sagt sie schnell und leise. «Wenn du es unbedingt wissen musst. Wenn du darauf bestehst, von seiner Schande zu erfahren. Er hat dich und mich verlassen. Er fand den Tod durch seine eigene Hand. Ich habe ein Kind unter dem Herzen getragen, das ich vor Kummer und Schrecken verloren habe. Es war womöglich ein Sohn für das Haus Lancaster, doch daran hat er gar nicht gedacht. Es war wenige Tage vor deinem ersten Geburtstag, und ihm lag so wenig an uns, dass er nicht einmal abwarten konnte, bis du dein erstes Lebensjahr vollendet hattest. Deswegen habe ich dir eingebläut, deine Zukunft liege in deinem Sohn. Ein Gemahl kann aus eigenem Antrieb kommen und gehen, wie es ihm beliebt. Er kann in den Krieg ziehen, krank werden oder sich das Leben nehmen, aber wenn du dir deinen Sohn zu eigen machst, ihn ganz zu deinem Geschöpf machst, dann bist du in Sicherheit. Dann passt er auf dich auf. Wenn du ein Junge geworden wärst, hätte ich dir mein Leben gewidmet. Du wärst meine Bestimmung gewesen.»
    «Aber da ich ein Mädchen war, hast du mich nicht geliebt, und er hat nicht einmal meinen ersten Geburtstag abgewartet?»
    Sie sieht mich offen an und wiederholt ihre grausamen Worte. «Natürlich nicht, du warst doch nur ein Mädchen und konntest nur die Brücke zur nächsten Generation sein. Konntest nur Mittel sein zum Zweck, unserer Familie einen Sohn zu gebären.»
    Für einen Augenblick herrscht Schweigen, während ich in mich aufnehme, wie unbedeutend ich für meine Mutter bin. «Verstehe. Ich habe das Glück, von Gott geachtet zu werden, auch wenn du mir keine Wertschätzung entgegenbringst. So wenig wie mein Vater.»
    Sie nickt, als spielte das keine große Rolle. Sie versteht mich nicht und wird mich auch nie verstehen. Niemals wird sie der Meinung sein, es sei der Mühe wert, mich verstehen zu wollen. Für sie bin ich, wie sie mir soeben offen erklärt hat, nur eine Brücke.
    «Und warum hat mein Vater sich umgebracht?», kehre ich zu ihrer ersten Enthüllung zurück. «Warum hat er so etwas getan? Seine Seele muss in der Hölle schmoren. Sie müssen unendlich viele Lügen erzählt haben, damit er auf heiligem Boden beerdigt werden konnte.» Ich verbessere mich: «
Du
musst unendlich viele Lügen erzählt haben.»
    Meine Mutter lässt sich auf die Bank am warmen Feuer sinken. «Ich habe getan, was ich konnte, um unseren guten Namen zu schützen», sagt sie leise. «Jeder, der einen großen Namen trägt, hätte das getan. Dein Vater kam mit Geschichten über einen Sieg aus Frankreich zurück, doch die Leute fingen an zu flüstern. Sie sagten, er hätte nichts von Wert getan, ja, er hätte sogar Truppen und Geld veruntreut, die sein Befehlshaber Richard of York – der große Held – dringend benötigt hätte, um Frankreich für England zu halten. Richard of York rückte vor,

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