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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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doch dein Vater hat seinen Vorstoß zunichtegemacht. Dein Vater hat eine Stadt belagert, doch es war die falsche Stadt, denn sie war im Besitz des Herzogs der Bretagne, und er musste sie ihm schließlich zurückgeben. Durch seine Dummheit hing das Bündnis mit der Bretagne am seidenen Faden. Das wäre unser Land teuer zu stehen gekommen, doch darüber hat er sich keine Gedanken gemacht. In den besiegten Gegenden Frankreichs hat er Steuern erhoben, doch das war ungesetzlich, und was noch schlimmer war, er hat die Einnahmen für sich behalten. Er hat behauptet, er hätte einen großartigen Feldzug geplant, doch er hat seine Männer im Kreis geführt und sie nach Hause gebracht, ohne dass sie einen Sieg errungen oder irgendwo Beute gemacht hätten, sodass sie ihm abschworen und sagten, er wäre ihnen kein guter Herr. Unser König hat ihn von Herzen geliebt, aber nicht einmal er konnte so tun, als hätte dein Vater seine Sache gut gemacht.
    In London sollte sein Betragen eingehend geprüft werden; dieser Schande konnte er nur durch den Tod entgehen. Womöglich hätte der Papst ihn sogar exkommuniziert. Sie hätten deinen Vater abgeholt und ihn des Verrats bezichtigt, das hätte er auf dem Schafott mit seinem Leben bezahlt. Du hättest dein Vermögen verloren, und wir wären mit ihm untergegangen. Das hat er uns erspart – aber nur dadurch, dass er die Flucht in den Tod angetreten hat.»
    «Exkommuniziert?» Das entsetzt mich mehr als alles andere.
    «Die Leute haben Balladen über ihn geschrieben», fügt sie bitter hinzu. «Sie haben seine Dummheit verspottet und sich an unserer Schande geweidet. Eine solche Schmach kannst du dir nicht vorstellen. Davor, vor seiner Schande, habe ich dich beschützt – und was ernte ich dafür? Nichts als Undank. Du bist so naiv, du kannst vielleicht nicht wissen, dass er verschrien war, dass er als Musterbeispiel seiner Zeit für die Tücken des Schicksals gehandelt wird, ja, dafür, wie grausam das Rad des Schicksals sich dreht. Als er geboren wurde, hätte er keine besseren Aussichten haben können, doch er wurde vom Pech verfolgt. Es war ihm stets dicht auf den Fersen. Als er als Junge in Frankreich in seine allererste Schlacht zog, wurde er gefangen genommen und siebzehn Jahre in Gefangenschaft gehalten. Er dachte, es läge niemandem genug an ihm, um ihn freizukaufen. Vielleicht ist das die Lektion, die ich dir hätte beibringen sollen – ungeachtet deiner religiösen Studien, ungeachtet deines ewigen Bettelns nach Büchern, nach einem Lehrer, nach Lateinunterricht. Ich hätte dir beibringen sollen, niemals Pech zu haben, dich niemals so vom Pech verfolgen zu lassen wie dein Vater.»
    «Und alle wissen es?», frage ich, entsetzt ob der Schande, die über mich gekommen ist, ohne dass ich es gewusst hätte. «Jasper zum Beispiel? Weiß Jasper, dass ich die Tochter eines Feiglings bin?»
    Meine Mutter zuckt die Achseln. «Alle wissen es. Wir haben verlautbaren lassen, er wäre erschöpft gewesen von den Feldzügen und sei im Dienst des Königs gestorben. Doch die Leute tratschen immer über die, die über ihnen stehen.»
    «Wird unsere ganze Familie vom Pech verfolgt?», frage ich sie. «Glaubst du, ich habe sein Pech geerbt?»
    Sie will mir nicht antworten. Sie steht auf und streicht den Rock ihres Kleids glatt, als müsste sie Rußflocken vom Feuer abstreifen oder Unglück abschütteln.
    «Sind wir vom Pech verfolgt?», frage ich. «Frau Mutter?»
    «Also, ich nicht», sagt sie abwehrend. «Ich bin eine geborene Beauchamp, nach dem Tod deines Vaters habe ich wieder geheiratet und einen neuen Ehenamen angenommen. Ich bin jetzt eine Welles. Aber du könntest vom Pech verfolgt sein. Die Beauforts vielleicht. Aber vielleicht gelingt es dir auch, das Schicksal zu wenden», sagt sie gleichgültig. «Jetzt, da du einen Lancastererben hast.»
    ***
    Das Abendessen wird sehr spät serviert; der Duke of Buckingham hält sich an das Hofprotokoll und stört sich nicht an den Kosten für Kerzen. Wenigstens ist das Fleisch besser zubereitet, und es gibt mehr Beilagen, Gebäck und Bonbons als in Pembroke Castle. Jaspers Manieren an dieser elegant gedeckten Tafel sind eindeutig höfisch, und erst jetzt wird mir deutlich, dass er in seiner Feste unmittelbar an der Grenze des Königreiches das Leben eines Soldaten führt, doch in einem vornehmen Haus ein Höfling ist. Als er bemerkt, dass ich ihn beobachte, zwinkert er mir zu, als teilten wir beide das Geheimnis, wie unser Leben aussieht, wenn wir

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