Der Thron der roten Königin
sie weg. Der Kleine jauchzt erstaunt auf. Jasper wird nicht müde, das Spielchen zu wiederholen. Immer und immer wieder. Er erweckt den Eindruck, als könnte er den ganzen Tag so weitermachen.
«Vielleicht wird er nie mehr sein als ein entfernter Verwandter des Königs», wiederhole ich. «Und du kümmerst dich um ihn, und am Ende ist seine ganze Bildung vergeudet.»
Jasper drückt den Säugling an sich, warm eingewickelt in seine Decke. «Nicht doch. Er ist ein kostbares kleines Wesen, Thronanspruch hin oder her», sagt er. «Er ist kostbar als das Kind meines Bruders und als Enkelsohn meines Vaters, Owen Tudor, und meiner Mutter, Gott segne sie, die Königin von England war. Er ist mir kostbar als dein Kind … ich habe nicht vergessen, wie sehr du bei seiner Niederkunft gelitten hast. Und er ist kostbar als Mitglied des Hauses Tudor. Und was den Rest angeht … wir werden sehen, was die Zukunft bringt, wenn es Gott gefällt. Aber wenn man je nach Henry Tudor ruft, wird man feststellen, dass ich für seine Sicherheit gesorgt und ihn vorbereitet habe und dass er bereit ist zu regieren.»
«Wogegen man nie nach mir rufen wird, und ich auch auf nichts anderes vorbereitet bin als darauf, eine Ehefrau zu sein – wenn ich es überhaupt erlebe», sage ich gereizt.
Jasper sieht mich an, ohne zu lachen. Mir ist, als hätte mich zum ersten Mal in meinem Leben jemand angesehen und verstanden. «Du bist die Erbin, die Henry seinen Anspruch auf den Thron gibt», sagt er. «Du, Margaret Beaufort. Und du bist kostbar vor Gott. So viel zumindest weißt du. Ich bin noch nie einer frommeren Frau begegnet. Du bist eher wie ein Engel als wie ein Mädchen.»
Ich glühe, so wie eine geringere Frau erröten würde, wenn jemand ihre Schönheit priese. «Ich wusste gar nicht, dass es dir überhaupt aufgefallen ist.»
«Doch, und ich finde, du hast eine wahre Berufung. Ich weiß, dass du nicht Äbtissin werden kannst, natürlich nicht. Aber ich glaube doch, dass Gott dich berufen hat.»
«Ja, aber Jasper, was nützt mir meine Frömmigkeit, wenn ich der Welt kein Beispiel geben darf? Wenn für mich nur die Heirat mit jemandem vorgesehen ist, dem kaum etwas an mir liegt, und ein früher Tod im Kindbett?»
«Es sind gefährliche und schwere Zeiten», räumt er nachdenklich ein, «und es ist schwer zu sagen, was man tun soll. Ich dachte, es sei meine Pflicht, meinem Bruder ein guter kleiner Bruder zu sein und Wales für König Henry zu halten. Aber nun ist mein Bruder tot, und Wales für den König zu halten ist ein ständiger Kampf. Wenn ich an den Hof gehe, sagt mir die Königin, ich solle meine Befehle von ihr entgegennehmen und nicht vom König. Denn einzig sicher für England sei es, ihr zu folgen, sie werde uns in den Frieden und die Allianz mit unserem großen Feind Frankreich führen.»
«Und woher weißt du, was du tun sollst?», frage ich. «Sagt Gott es dir?» Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Gott zu Jasper spricht, dessen Haut so schrecklich viele Sommersprossen hat, selbst jetzt im März.
Er lacht. «Nein, Gott spricht nicht zu mir. Ich versuche, den Glauben an meine Familie nicht zu verlieren, an meinen König und an mein Vaterland, in der Reihenfolge. Und ich stelle mich darauf ein, dass es Probleme gibt, und hoffe das Beste.»
Ich komme ihm ganz nah, um leise mit ihm sprechen zu können. «Glaubst du, Richard of York würde es wagen, den Thron an sich zu reißen, wenn der König sehr lange Zeit krank wäre? Wenn er nicht mehr gesund würde?»
Er blickt finster drein. «Ich gehe davon aus.»
«Und was soll ich tun, wenn ich weit weg bin von dir und ein falscher König setzt sich auf den Thron?»
Nachdenklich betrachtet Jasper den Jungen. «Sagen wir, König Henry stirbt und dann sein Sohn, der Prinz.»
«Gott behüte.»
«Amen. Aber sagen wir einmal, sie sterben, einer nach dem anderen. Von diesem Tag an ist dieser kleine Junge hier der nächste Anwärter auf den Thron.»
«Das weiß ich sehr wohl.»
«Glaubst du nicht, das könnte deine Berufung sein? Für die Sicherheit dieses Jungen zu sorgen und ihn zu lehren, ein guter König zu sein, ihn für die höchste Aufgabe im Land vorzubereiten – mitzuerleben, wie er zum König gekrönt und gesalbt wird – wenn er über die Menschen erhoben wird, als König, als beinahe göttliches Wesen?»
«Ich habe davon geträumt», vertraue ich ihm leise an. «Als er empfangen wurde. Ich träumte, es sei meine Berufung, ihn unter meinem Herzen zu tragen und
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