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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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helfen. Man muss ihn einfach lieben und bewundern. Es steht seinen Feinden nicht gut zu Gesicht, dass sie seine Barmherzigkeit als Freibrief betrachten, nach Gutdünken fortzufahren.» Er unterbricht sich. «Er ist ein großer Mann, aber vielleicht kein großer König. Er steht über uns allen, was es für uns Übrige sehr schwer macht. Und das gemeine Volk sieht nicht die Erhabenheit des Geistes, sondern nur Schwäche.»
    «Aber jetzt geht es ihm doch sicher gut? Der Hof ist wieder nach London umgesiedelt. Die Königin lebt mit dem König zusammen, und du hältst Wales für ihn. Vielleicht bleibt er gesund, ihr Sohn ist stark, sie könnten noch ein Kind bekommen. Bestimmt geben sich nun auch die Yorks damit zufrieden, als große Männer unter einem großen König zu leben. Sie kennen doch gewiss ihren Platz?»
    Er schüttelt den Kopf, füllt seine Schüssel noch einmal mit Schmorfleisch und nimmt sich eine Scheibe helles Weizenbrot. Nachdem er wochenlang mit seinen Männern geritten ist, ist er sehr hungrig. «Ehrlich, Margaret, ich glaube nicht, dass die Yorks je Ruhe geben. Sie sehen sich den König an, manchmal tun sie sogar ihr Bestes, mit ihm zusammenzuarbeiten, doch selbst wenn er gesund ist, ist er schwach, und wenn er krank ist, ist er der Welt ganz entrückt. Wenn ich nicht sein Vasall wäre, ihm mit Herz und Seele verpflichtet, würde es mir schwerfallen, ihm treu zu sein. Ich hätte große Angst vor der Zukunft. Ich kann ihnen tief im Herzen keinen Vorwurf machen, dass sie Einfluss darauf haben möchten, was als Nächstes geschieht. Ich zweifle nicht an Richard of York. Ich glaube, er kennt und liebt den König, und er weiß, dass er von königlicher Abstammung ist, doch kein geweihter König. Aber Richard Neville, Earl of Warwick, würde ich nicht weiter trauen, als ich der Flugbahn eines Pfeils mit den Augen folgen kann. Er ist daran gewöhnt, den ganzen Norden zu regieren, er wird niemals einsehen, warum er nicht das ganze Königreich regieren kann. Gott sei es gedankt: Beide würden niemals Hand an einen geweihten König legen. Und doch stellt sich jedes Mal, wenn der König krank ist, die Frage: Wann wird er wieder gesund? Und was sollen wir tun, bis er wieder gesund ist? Und die Frage, die niemand laut zu stellen wagt: Was sollen wir tun, wenn er nicht mehr gesund wird?
    Das Schlimmste aber ist, dass wir eine Königin haben, die tut, was sie will. Wenn der König tot ist, segeln wir auf einem Schiff ohne Ruder, und die Königin ist der Wind, der uns in jede Richtung pusten kann. Wenn ich glauben würde, Johanna von Orléans sei keine Heilige, sondern, wie einige behaupten, eine Hexe, würde ich denken, sie hätte uns mit einem König verflucht, der nur in seinen Träumen lebt, und mit einer Königin, deren oberste Loyalität Frankreich gilt.»
    «Um Gottes willen! Sag das nicht!», verwahre ich mich gegen die Schmähung Johannas und lege meine Hand rasch auf die seine, um ihn zum Schweigen zu bringen. Wir halten uns einen kurzen Moment umklammert, dann zieht er seine Hand behutsam unter der meinen hervor, als dürfte ich ihn nicht berühren, nicht einmal wie eine Schwester ihren Bruder.
    «Ich spreche so offen zu dir in dem Vertrauen darauf, dass all das nicht weiter dringt als in deine Gebete», sagt er. «Aber wenn du diesen Januar verheiratet wirst, spreche ich mit dir nur noch über Familienangelegenheiten.»
    Es kränkt mich, dass er mir seine Hand entzieht. «Jasper», flüstere ich. «Von Januar an habe ich niemanden mehr in der Welt, der mich liebt.»
    «Ich werde dich lieben», verspricht er mir leise. «Als Bruder, als Freund, als Vormund deines Sohnes. Du kannst mir immer schreiben, und ich kann dir immer antworten, als Bruder, als Freund und als Vormund deines Sohnes.»
    «Aber wer wird mit mir reden? Wer wird mich als die sehen, die ich bin?»
    Er zuckt die Achseln. «Einigen von uns ist ein einsames Leben vorherbestimmt», sagt er. «Du wirst verheiratet, aber sehr einsam sein. Ich werde an dich denken – in deinem prächtigen Haus in Lincolnshire mit Henry Stafford, während ich hier ohne dich lebe. Ohne dich wird mir die Burg sehr still und fremd vorkommen. Die Steintreppen und die Kapelle werden deine Schritte vermissen, die Tore dein Lachen und die Mauern deinen Schatten.»
    «Aber mein Sohn wird bei dir sein», sage ich, eifersüchtig wie eh und je.
    Er nickt. «Er wird bei mir leben, auch wenn ich Edmund und dich verloren habe.»

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    Januar 1458
    G etreu

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