Der Thron der roten Königin
erwachsene Frau, aber dann könnt ihr mich nicht wieder zum Kind machen!»
Er nickt, als hörte er mir zu und bedächte, was ich zu sagen habe. «Du hast allen Grund zur Klage», erwidert er ruhig. «Aber das ist der Lauf der Welt, Lady Margaret; wir können für dich keine Ausnahme machen.»
«Das solltet ihr aber!», fahre ich auf. «Sage ich das nicht schon seit meiner frühen Kindheit? Ihr solltet für mich eine Ausnahme machen. Unsere Liebe Frau spricht zu mir, die heilige Johanna erscheint mir, ich bin von Gott gesandt, um euch ein Licht zu sein. Ich kann nicht schon wieder mit einem gewöhnlichen Mann verheiratet und Gott weiß wohin geschickt werden. Man sollte mir ein eigenes Nonnenkloster geben, wo ich Äbtissin sein kann! Du solltest dies für mich tun, Bruder Jasper. Befehligst du nicht Wales? Du solltest mir ein Nonnenkloster schenken, ich möchte einen Orden gründen!»
Er drückt den Säugling an sich und wendet sich von mir ab. Ich denke, er ist zu Tränen gerührt von meinem rechtschaffenen Zorn, doch dann sehe ich, dass sein Gesicht gerötet ist und seine Schultern vor Lachen beben. «O mein Gott», sagt er. «Verzeih mir, Margaret, aber du bist so ein Kind. Du bist ein kleines Kind wie unser Henry, und ich werde mich um euch beide kümmern.»
«Niemand soll sich um mich kümmern», schreie ich. «Denn ihr täuscht euch alle in mir, und du bist ein Narr, dass du über mich lachst. Ich stehe unter der Obhut Gottes, und ich heirate niemanden! Ich werde Äbtissin.»
Er hält die Luft an, sein Gesicht strahlt immer noch vor Lachen. «Äbtissin. Gewiss. Und geruht Ihr, heute Abend mit uns zu dinieren, Mutter Oberin?»
Ich bedenke ihn mit einem finsteren Blick. «Ich werde mir mein Essen in meine Gemächer bringen lassen», entgegne ich zornig. «Ich werde nicht mit dir speisen. Womöglich werde ich nie wieder mit dir speisen. Aber du kannst Vater William ausrichten, er möge zu mir kommen. Ich muss beichten, dass ich gegen die gesündigt habe, die sich gegen mich versündigt haben.»
«Ich schicke ihn zu dir», sagt Jasper freundlich. «Und lasse dir die besten Gerichte in deine Gemächer schicken. Morgen, so hoffe ich, wirst du dich mit mir im Stallhof treffen, damit ich dir zeigen kann, wie man reitet. Eine Dame von deinem Rang sollte ihr eigenes Pferd haben, sie sollte ein schönes Pferd gut reiten können. Wenn du nach England zurückkehrst, solltest du auf deinem eigenen prächtigen Pferd reiten.»
Ich zögere. «Ich lasse mich nicht durch weltliche Eitelkeiten in Versuchung führen», warne ich ihn. «Ich werde Äbtissin, und nichts wird mich daran hindern. Du wirst schon sehen. Ihr werdet es alle sehen. Ihr sollt mit mir nicht verfahren wie mit etwas, was man handelt und verkauft. Ich werde über mein eigenes Leben verfügen.»
«Gewiss», sagt er freundlich. «Es ist nicht recht, dass du das Gefühl hast, wir würden so von dir denken, denn ich liebe und respektiere dich, wie ich es versprochen habe. Ich werde ein teures Pferd für dich finden, und du wirst wunderschön aussehen auf seinem Rücken, und alle werden dich bewundern, auch wenn all das dir überhaupt nichts bedeuten kann.»
***
Im Schlaf träume ich von weißgetünchten Klostermauern und einer riesengroßen Bibliothek, in der Folianten mit Buchmalereien an die Tische gekettet sind. Jeden Tag kann ich hingehen und studieren. Ich träume von einem Lehrer, der mich Griechisch und Latein und sogar Hebräisch lehrt, und ich lese die Bibel in der Sprache, die den Engeln am nächsten ist. Ich kann alles lernen. Im Traum sind mein Wissensdurst und mein Wunsch, etwas Besonderes zu sein, besänftigt. Wenn ich eine Gelehrte sein könnte, könnte ich in Frieden leben. Wenn ich jeden Tag zur strengen Regelmäßigkeit des Stundengebets erwachen und meine Tage ganz dem Studium widmen könnte, würde ich wohl ein Leben führen, das Gott ebenso wohlgefällig wäre wie mir. Wenn mein Leben wirklich etwas Besonderes wäre, wäre es mir egal, ob die Leute das erkennen könnten. Wenn ich wirklich ein Leben als gottesfürchtige Gelehrte führen könnte, wäre es mir egal, ob die Menschen mich als fromm betrachteten. Ich möchte sein, was ich zu sein scheine. Ich benehme mich, als wäre ich besonders heilig, ein besonderes Mädchen, aber genau das möchte ich wirklich sein. Von ganzem Herzen.
Ich erwache am Morgen und kleide mich an, und bevor ich zum Frühstück nach unten gehe, begebe ich mich in den Kindertrakt, um meinen Sohn zu sehen. Er
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