Der Thron der roten Königin
liegt noch in der Wiege, doch ich höre sein Gurren, kleine, leise Laute – wie ein Entchen, das auf einem ruhigen Teich schwimmend vor sich hin quakt. Ich beuge mich über die Wiege, um ihn zu sehen, und er lächelt mich an. Er lächelt! In seinen dunkelblauen Augen steht ein unmissverständliches Wiedererkennen, und sein fröhliches, zahnloses, dreieckiges Grinsen verwandelt ihn augenblicklich von einer hübschen Puppe in einen kleinen Menschen.
«Na, Henry», sage ich, und das kleine Strahlen wird breiter, als würde er seinen Namen kennen und meinen, als wüsste er, dass ich seine Mutter bin, und glaubte, dass wir Glück haben und uns alle Möglichkeiten offenstehen, als wäre unser Leben voller Versprechungen und ich könnte auf mehr hoffen als auf bloßes Überleben.
Er strahlt noch einen Augenblick, dann wird er von etwas abgelenkt. Ein überraschter Ausdruck huscht über sein Gesicht, und er spuckt und weint. Schon eilen seine Kindermädchen herbei und schieben mich unsanft beiseite, um ihn aus der Wiege zu nehmen und der Amme zu bringen. Ich lasse es zu und gehe hinunter in die große Halle, um Jasper zu erzählen, dass der kleine Henry mich jetzt ebenfalls angelächelt hat.
***
Jasper wartet im Stallhof auf mich, neben sich ein großes, dunkles Pferd mit langem, gebogenem Hals und hin- und herschwingendem Schweif. «Ist das für mich?» Ich bemühe mich, nicht ängstlich zu klingen, aber es ist fraglos ein sehr großes Pferd, und bisher bin ich nur auf Ponys geritten, die vom Oberstallmeister geführt wurden, oder auf längeren Reisen auf einem Damensattel hinter einem Stallburschen.
«Das ist Arthur», sagt Jasper freundlich. «Sicher ist er groß. Aber er ist ruhig und zuverlässig, ein gutes Pferd zum Reitenlernen. Er war das Schlachtross meines Vaters, aber jetzt ist er zu alt für die Schlacht. Doch er fürchtet sich vor nichts und niemandem, und er wird dich sicher dorthin tragen, wohin du ihm befiehlst.»
Das Pferd hebt den Kopf und sieht mich an. In seinem dunklen Blick liegt etwas so Vertrauenswürdiges, dass ich vortrete und die Hand ausstrecke. Der große Kopf senkt sich, und mit geweiteten Nüstern schnuppert er an meinem Handschuh und versucht, ihn behutsam mit den Lippen von meinen Fingern zu zupfen.
«Ich laufe nebenher, und Arthur geht im Schritt», verspricht Jasper mir. «Komm her, dann hebe ich dich in den Sattel.»
Er hievt mich rittlings in den Sattel. Als ich fest sitze, zieht er am Saum meines Kleids, damit es auf beiden Seiten gleichmäßig herunterhängt und meine Stiefel bedeckt. «So», sagt er, «und jetzt halt die Beine ruhig und drück sie behutsam gegen seinen Leib, damit er weiß, dass du da bist. Sitz gerade und nimm die Zügel auf.»
Ich hebe sie an, und Arthur reckt aufmerksam den großen Kopf. «Er rennt nun aber nicht gleich los, oder?», frage ich nervös.
«Nur, wenn du ihn sanft trittst zum Zeichen, dass du bereit bist. Und wenn du willst, dass er stehen bleibt, ziehst du vorsichtig die Zügel an.» Jasper zeigt mir, wie ich die Zügel aufnehmen muss. «Lass ihn zuerst einmal nur zwei Schritte machen, damit du merkst, dass du anreiten und anhalten kannst.»
Vorsichtig drücke ich ein wenig mit beiden Fersen gegen seinen Leib und erschrecke so über den ersten großen wiegenden Schritt vorwärts, dass ich gleich an den Zügeln ziehe. Sofort bleibt er gehorsam stehen. «Ich hab’s getan!», rufe ich atemlos. «Er ist für mich stehen geblieben! Nicht wahr? Er ist stehen geblieben, weil ich es ihm gesagt habe?»
Jasper lächelt zu mir auf. «Er wird alles für dich tun. Du musst ihm nur deutliche Signale geben, damit er weiß, was du von ihm willst. Er hat meinem Vater treu gedient. Edmund und ich haben auf ihm tjosten gelernt, und jetzt wird er dein Lehrer sein. Vielleicht lebt er sogar lange genug, dass der kleine Henry auch noch auf ihm reiten lernen kann. Jetzt geh im Schritt aus dem Stallhof und auf den Platz vor der Burg.»
Etwas selbstbewusster gebe ich Arthur das Zeichen zum Anreiten, und diesmal lasse ich ihn weitergehen. Seine gewaltigen Schultern bewegen sich voran, aber sein Rücken ist so breit, dass ich fest und sicher auf ihm sitze. Jasper läuft auf Höhe seines Kopfes neben ihm her, doch ohne die Zügel zu berühren. Ich, ich ganz allein, bringe das Pferd dazu, auf den Hof zu gehen und durch das Tor auf die Straße, die hinunter nach Pembroke führt.
Jasper schreitet neben mir her, als machte er einen Spaziergang, um frische Luft zu
Weitere Kostenlose Bücher