Der Thron der roten Königin
Yorkisten haben glorios gesiegt, und wir wagen es nicht kundzutun, dass wir ausreiten, um meinen Sohn zu retten, den Erben des Hauses Lancaster. Allmählich verstehe ich, was mein Gatte Henry mir versucht hat zu erklären: dass das Land nicht nur vom Krieg zerstört wurde, sondern auch von der fortwährenden Kriegsbedrohung. Familien, die jahrelang Freunde und Nachbarn waren, meiden sich aus Angst. Selbst ich, die ich auf das Land zureite, das meinem ersten Gemahl gehörte, dessen Name noch immer geliebt wird, habe Angst, auf jemanden zu treffen, der sich an mich erinnern könnte.
Wenn ich vom Reiten erschöpft bin und mir sämtliche Knochen im Leib wehtun, kümmert sich Henry Stafford um mich, ohne viel Aufhebens zu machen oder mir zu unterstellen, ich sei eine schwache Frau und hätte zu Hause bleiben sollen. Wenn wir rasten, hebt er mich vom Pferd und sieht zu, dass ich Wein und Wasser bekomme. Wenn wir zu Abend essen, bringt er mir das Essen persönlich, noch bevor er bedient wird, und später breitet er seinen Umhang als Unterlage für meine Bettstatt aus, deckt mich zu und lässt mich ruhen. Wir haben Glück mit dem Wetter, es regnet nicht. Am Morgen reitet er neben mir und lehrt mich die Lieder, die die Soldaten singen: zotige Lieder, deren Texte er für mich umdichtet.
Mit seinen unsinnigen Worten bringt er mich zum Lachen, und er erzählt mir aus seiner Kindheit, als jüngerer Sohn des großen Hauses Stafford. Ich erfahre, dass sein Vater ihn für die Kirche vorherbestimmt hatte, bis er ihn darum bat, davon abzusehen. Sie gaben ihn aber erst frei, als er dem Priester erklärt hatte, er befürchte, vom Teufel besessen zu sein, woraufhin alle so besorgt waren um seinen Seelenzustand, dass sie die Hoffnung auf ein Priesteramt aufgaben.
Im Gegenzug erzähle ich ihm, dass ich eine Heilige sein wollte und wie froh ich war, als ich herausfand, dass ich die Knie einer Heiligen hatte. Darüber lacht er laut und legt seine Hand auf die meine, die die Zügel hält. Er nennt mich ein reizendes Kind und ganz die Seine.
Als er nicht in den Krieg ziehen wollte und später, als er so still vom Schlachtfeld zurückkehrte, hielt ich ihn für einen Feigling; doch da habe ich mich getäuscht. Er ist ein sehr vorsichtiger Mann, der von ganzem Herzen an nichts glaubt. Er wollte kein Priester sein, weil er sich Gott nicht ganz widmen konnte. Er war froh, dass er nicht als Ältester geboren worden war, denn er wollte nicht Herzog und Oberhaupt eines derart großen Hauses sein. Er gehört dem Haus Lancaster an, aber er lehnt die Königin ab und fürchtet sich vor ihr. Er ist ein Feind des Hauses York, aber er schätzt Warwick und bewundert den Mut des Jungen von York, dem er sein Schwert übergeben hat. Er träumt nicht davon, wie Jasper ins Exil zu gehen, dafür ist er viel zu gern zu Hause. Er ordnet sich nicht irgendwelchen Lords unter, er denkt für sich selbst, und jetzt verstehe ich auch, was er meint, wenn er sagt, er sei kein Meutehund, der beim Klang des Jagdhorns anschlage. Er fragt sich bei allem, was richtig und was falsch ist und welches der beste Ausgang für ihn selbst, seine Familie und alle, die von ihm abhängen, genauso wie für sein Land. Er ist kein Mann, der sich schnell einer Sache verschreibt. Nicht wie Jasper. Er ist kein Mann für leidenschaftliche und heißblütige Zeiten wie diese.
«Schön vorsichtig!» Er lächelt mich an, als Arthur behäbig durch die große Furt des Severn, dem Tor zu Wales, schreitet. «Wir leben in schweren Zeiten, in denen Männer und sogar Frauen ihre eigenen Wege wählen müssen, ihre eigenen Loyalitäten. Ich halte es für richtig, vorsichtig zu sein und nachzudenken, bevor man handelt.»
«Ich habe immer gedacht, man müsse das Richtige tun», sage ich. «Und nichts als das Richtige.»
«Ja, aber du wolltest auch eine Heilige sein.» Er lächelt. «Aber jetzt, als Mutter eines Kindes, musst du nicht nur abwägen, was das Richtige ist, sondern auch, ob es dich und deinen Sohn schützt. Mehr als alles in der Welt möchtest du deinen Sohn in Sicherheit wissen. Das ist dir womöglich wichtiger als der Wille Gottes.»
Einen Augenblick bin ich verwirrt. «Aber es muss Gottes Wille sein, dass mein Sohn sicher ist», versetze ich. «Mein Sohn ist ohne Sünde, und er entstammt der königlichen Linie. Er ist aus dem einzig wahren königlichen Haus. Gott muss sich wünschen, dass mein Sohn sicher ist, damit er dem Hause Lancaster dienen kann. Meine und Gottes Wünsche müssen
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