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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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es sei denn, es bestünde Aussicht auf ein Lösegeld. Allerdings konnte ich die hohen Forderungen nicht erfüllen, und ich wusste, dass Sancho sich nicht für einen Glücksritter – denn nichts anderes war ich – einsetzen würde, der in einem kritischen Augenblick ein wichtiges Friedensabkommen aufs Spiel setzte. Roland versicherte mir, dass sein Onkel und mein Herr, der Herzog von Aquitanien, beide Lösegelder bezahlen würde. Er schrieb selbst den Brief an ihn, der bald auf den Weg gebracht wurde. Den darauffolgenden Monat verbrachten wir gemeinsam in einer komfortablen Unterkunft im Palast. Dann wurde Roland eines Morgens in den Thronsaal des Emirs gerufen. Er kehrte vollkommen bestürzt zurück. Sein Lösegeld war eingetroffen, meines aber aus unerfindlichen Gründen nicht. Er schwor, dass er meine Freilassung bewirken oder aber zurückkehren werde, um mein Schicksal zu teilen.»
    Mit monotoner Stimme fuhr Vallon fort. «Ein Monat verging. Zwei Monate. Eines Tages, nach vier Monaten der Gefangenschaft, kamen im Morgengrauen Wachsoldaten zu mir. Ohne ein Wort der Erklärung fesselten sie mich und warfen mich auf einen Karren. Wir verließen die Stadt in südliche Richtung, und um die Mittagszeit hatten wir mein neues Gefängnis erreicht. Der Ort hieß Cadrete – es war eine schroffe Festung auf einem steilen Hügel. Als wir durch das Tor fuhren, zogen mir die Männer der Eskorte eine Kapuze über den Kopf, sodass ich nichts mehr sehen konnte. Während sie mich zu meiner Zelle brachten, versuchte ich mir eine Vorstellung von der Festungsanlage zu machen. Zuerst führten sie mich auf einem ebenen, gepflasterten Boden bis weit in die Festung hinein. Ich ging neunzig Schritte, bis wir vor einer Tür stehen blieben, die mit einem Schloss und drei Riegeln gesichert war. Auf der anderen Seite gingen wir zwölf gemauerte Stufen hinunter. Dann blieben wir erneut stehen, und ich hörte, dass Lampen angezündet wurden und sich eine Falltür im Boden öffnete. Wachleute ließen eine Leiter durch die Falltür hinab. Dann führten sie mich zu der Leiter und befahlen mir hinunterzusteigen. Ich zählte achtundzwanzig Sprossen, bis ich den Boden erreichte. Dann nahmen mir die Wachen die Kapuze ab, stiegen die Leiter hinauf, zogen sie hinter sich nach oben, schlossen die Luke und ließen mich in völliger Dunkelheit zurück.» Vallon hielt inne. «Weißt du, was eine
Oubliette
ist?»
    Hero erschauerte. «Ein Loch, in dem Gefangene dem Vergessen überlassen werden.»
    «Es hatte die Form eines Bienenkorbs mit einer Falltür in der Decke zwanzig Fuß oberhalb des Bodens. Es gab keine andere Öffnung, und mein Wärter hielt die Falltür immer geschlossen, wenn er mir etwas zu essen brachte. Im Boden befand sich ein kleines Loch, das sich zu einer Grube erweiterte, die als Latrine und als Friedhof diente. Die Skelette ehemaliger Gefangener lagen verstreut in diesem Grab. Das habe ich an einem Abend gesehen, an dem mir mein Wärter meine Ration brachte. Seine Aufgabe bestand darin, mir einen Eimer mit Essen und einer Lampe herunterzulassen. Sobald ich gegessen hatte, zog der Wärter den Eimer und die Lampe wieder hinauf, sodass ich bis zum nächsten Tag wieder im Dunkeln saß. Ich gewöhnte mir an, möglichst langsam zu essen, um den Luxus dieses kleinen orangefarbenen Flämmchens länger genießen zu können. Einmal weigerte ich mich, die Lampe wieder nach oben zu schicken, und zur Strafe bekam ich tagelang nichts mehr zu essen und auch kein Licht. Wie viele Tage genau, kann ich nicht sagen. Abgesehen von dem täglichen Essensritual, hatte ich keine Möglichkeit festzustellen, wie die Zeit verging.»
    «Dort habt Ihr Euch also mit der Ratte angefreundet», sagte Hero.
    «Ich habe gern mit ihr gesprochen. Sie hatte so verlässliche Gewohnheiten, dass ich unruhig wurde, wenn sie zu spät kam. Ich machte mir Sorgen, dass sie gestorben sein könnte und ich vollkommen auf meine eigene Gesellschaft zurückgeworfen sein würde.»
    «O Herr!»
    Vallon richtete den Blick in unbestimmte Ferne. «Es ist mir gelungen, einen Steinsplitter von der Mauer zu lösen, mit dem ich dann einen Kalender in die Wand gekratzt habe. Die Wochen wurden zu Monaten. Mein Haar hing mir über den Rücken hinunter, und meine Fingernägel wurden zu Klauen. Außerdem plagten mich die Läuse.»
    Hero kratzte sich unauffällig am Arm. «Ich wäre verrückt geworden. So etwas hätte ich nicht ausgehalten.»
    «Ich war ein paarmal kurz davor, mich umzubringen. Noch

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