Der Thron der Welt
heute frage ich mich, wie viele der Toten in der Grube sich selbst das Leben genommen hatten.» Vallon hielt inne und sprach dann entschlossen weiter. «Nachdem mir klargeworden war, dass ich aus Aquitanien keine Hilfe zu erwarten hatte, beschwor ich den Emir, bei König Sancho um Unterstützung für mich zu bitten und ihn daran zu erinnern, dass ich ihm und seinem Vater jahrelang treu gedient hatte. Nach etwa sieben Monaten der Haft brachte ein Diener des Emirs Sanchos Antwort. Der König hatte mir seine Gunst entzogen, ich stand nicht mehr unter seinem Schutz. Ihm war zugetragen worden, dass ich derjenige gewesen wäre, der in das Hoheitsgebiet des Emirs eingedrungen war. Roland hatte ihm den Verstand vergiftet.»
«Was für eine Schlange! Aber warum wurde sein Wort über Eures gestellt?»
«Roland war der Neffe des Herzogs. Seine Behauptungen würden immer mehr Gewicht haben als die eines Kommandeurs im mittleren Rang von bescheidener Herkunft. Vielleicht hatte sich Roland auch selbst davon überzeugt, dass seine Version der Geschichte stimmte. Ich habe gelernt, dass ein Mann, der andere betrügen will, zuerst sich selbst betrügen muss. Ich weiß bis heute nicht, wie er es angestellt hat. Ich hatte keine Zeit, es herauszufinden, als ich endlich entkam.»
«Aber Ihr seid entkommen. Dafür sei Gott gedankt.»
Vallon massierte sich die Rippen. «Ein weiterer Monat verging, und dann wurde mein Bewacher durch einen anderen ersetzt. Mein neuer Gefängniswärter war ein älterer Mann mit einer Schwäche für Wein. Er erfüllte seine Pflichten eher nachlässig und brachte mir meine Tagesration, wann immer es ihm passte. Einmal ließ er dabei die Falltür offen, und danach machte er sich nie mehr die Mühe, sie zu schließen. Warum auch sollte er sich diese Umstände machen? Die Falltür war für mich genauso unerreichbar wie der Himmel. Dieses Fehlverhalten gab mir Hoffnung. Die Kammer oben besaß ein Fenster, das genügend Licht hereinließ, um die Dunkelheit unten bei mir etwas zu erhellen. Dass eine Treppe von der Kammer zu einer verriegelten Tür führte, wusste ich schon. Mein Wärter ließ auch diese Tür oft aufstehen, wenn er mir meine karge Ration brachte. In dieser Zeit hörte ich manchmal, wie dort vor der Tür Säcke und Fässer auf Karren geladen wurden. Es war klar, dass der Raum dahinter eine Lagerhalle oder ein Warendepot sein musste, von dem aus man in den Hof der Festung kam.
Aber wie sollte ich es bis dorthin schaffen? Die Leiter war die einzige Möglichkeit, und meine Wärter hatten sie erst einmal herabgelassen, seit sie mich in mein Gefängnis gebracht hatten. Ich beschloss, die Nachlässigkeit meines Wärters zu testen. Als er mir das nächste Mal etwas zu essen brachte, tat ich so, als wäre ich krank. Aber er verhöhnte mich nur und verschwand. Am nächsten Tag gab ich vor, bewusstlos oder tot zu sein. Er war ein schludriger Wärter, aber doch nicht so pflichtvergessen, dass er die Leiter allein hinuntergestiegen wäre. Er rief zwei Soldaten zur Bewachung der Falltür, während er hinabkletterte, um nach mir zu sehen. Nach beinahe einem Jahr in diesem Kerker war ich so ausgemergelt, dass mein Wärter schnell zu der Überzeugung kam, ich würde bald den Skeletten in der Grube Gesellschaft leisten. Ich hatte sogar ein wenig Sorge, dass er mir selbst den Garaus machen und mich in das Grab werfen würde. Aber schließlich kletterte er wieder nach oben.
Ich sah ihm aus dem Augenwinkel nach. Er zog die Leiter hinauf. Ich war sicher, dass er – weil die beiden anderen Soldaten dabei waren – die Falltür schließen würde. Doch er tat es nicht. Erst ließ er das Ende der Leiter über der Öffnung liegen, dann schob er es mit dem Fuß ein Stückchen weg. Ich wusste, dass das Leiterende höchstens einen Fuß oder zwei vom Rand der Öffnung entfernt lag.
Ich erkläre besser, was das für eine Leiter war. Sie war ungefähr fünfundzwanzig Fuß lang und hatte eine vierkantige Mittelstrebe von etwa sechs oder sieben Zoll Dicke. Die Mittelstrebe besaß Bohrlöcher, durch die man die Sprossen geschoben hatte. Sobald ich gehört hatte, wie an der äußeren Tür die Riegel vorgelegt worden waren, machte ich mich daran, mit einem Steinsplitter meine Decken in Streifen zu schneiden. Ich brauchte bis weit nach der Mittagszeit, um ein Seil zusammenzuknoten, das lang genug war, um bis zu der Falltür und etwas darüber hinauszureichen. An einem Ende dieses Seils knotete ich den Stein an.»
«Ihr hattet vor,
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