Der Thron der Welt
sich zu ihrem Nest unter einem Deckenbalken hinauf.
Raul ließ die Silbermünzen von einer Hand in die andere gleiten. «Einen Halfpenny pro Tag bei freier Kost und Logis.»
Sie überdachten es wie ein Philosophenkongress. Kein einziger Mann trat vor.
«Seid ihr denn so zufrieden mit eurem Dasein?», bohrte Raul. «Geht euer Grundherr so gut mit euch um?»
«Er geht mit uns um wie mit den Weidenbäumen», rief jemand von hinten. «Er denkt, je mehr er uns zusammenstutzt, desto besser treiben wir aus.»
Dem Gelächter folgten weitere Beschwerden. «Er verhängt Geldstrafen, wenn wir heiraten. Und er verhängt Geldstrafen, wenn wir sterben.»
«Er verbietet uns, unser Getreide zu Hause zu mahlen, und verlangt, dass wir seine Mühle benutzen und dafür bezahlen.»
«Und dann müssen wir drei Tage auf Mehl warten, das aus der schimmligen Nachlese des letzten Jahres gemahlen worden ist.»
Raul breitete mit missionarischem Eifer die Arme aus. «Brüder, hier ist die Gelegenheit, euer Joch abzuwerfen. Hier ist die Erlösung aus euren irdischen Leiden.» Er machte einen Schritt auf einen der Misstrauischen zu, einen kräftigen Mann von etwa dreißig Jahren. «Du bist ein mutiger Redner. Du gefällst mir. Ich vermute, du hast schon auf dem Schlachtfeld gestanden, oder?»
«Ich habe mit der Fyrd des englischen Königs bei Stamford gekämpft.»
«Ich wusste es. Du gehörst zu genau der handfesten Sorte, die wir suchen.»
Der Mann schüttelte den Kopf. «Ich habe eine Frau, drei Kinder und eine schwerkranke Mutter.»
«Ah, aber denk daran, wie gut du sie versorgen kannst, wenn du zurückkommst.»
«Ich kann nicht. Ich bin an meine Felder gefesselt.»
«Kein Mann ist an irgendetwas gefesselt. Komm schon, klopf dir den Schlamm von den Schuhen.»
«Lass ihn», sagte Wayland.
Raul sah ihn böse an und wandte sich an einen anderen Fronarbeiter. «Und was ist mit dir?»
Der Mann rieb sich übers Kinn und sagte dann etwas Unhörbares. Raul legte die Hand hinters Ohr. «Was war das?»
Wayland machte einen Schritt auf ihn zu. «Er sagt: ‹Wer kümmert sich um meine Bienen?›»
Raul warf seine Schläfenlocke zurück. «Lieber Gott. Das ist ja, als wollte man einer Kröte die Federn ausrupfen.»
Er ging von einem Mann zum nächsten und erhielt eine gemurmelte Ablehnung nach der anderen. Schließlich legte er den Kopf in den Nacken und rief: «Was? Kein Einziger von euch? Eure Wikinger-Vorfahren drehen sich im Grabe herum. Na gut. Dann träumt weiter von euren Runkelrüben. Zählt eure Heuhaufen. Verbringt den Rest eures Lebens damit, den Arsch eures Ochsen anzustarren, während ihr durch den Dreck stapft, mit durchlöcherten Schuhen, zerlumpten Kleidern und Kindern, die zu Hause verhungern.»
«Ich komme mit.»
Raul drehte sich um. «Zeig dich.»
Aus der Versammlung humpelte ein großer, magerer Arbeiter hervor, dessen Kleidung aus selbstgewebtem Leinen so durchgescheuert war, dass man Knie und Ellbogen sah. Seine enormen Hände hingen an knochigen Handgelenken.
Raul betrachtete ihn zweifelnd. «Und wer bist du?»
«Garrick, ein Witwer und armer Freibürger. Der Tod hat mir all meine Verwandten genommen, und ich werde ihnen bald Gesellschaft leisten, wenn ich hierbleibe, weil meine Felder zu klein sind, als dass ich mich davon ernähren könnte.»
Raul umrundete den Bauern und versuchte ihn einzuschätzen. «Du hinkst. Stammt diese Verletzung vom Schlachtfeld?»
Jemand lachte. «Er ist als Kind vom Baum gefallen. Pech und Ärger verfolgen Garrick schon sein ganzes Leben.»
Raul schob ihn zur Seite. «Es tut mir leid, wir brauchen kräftige, gesunde Männer.»
«Ich will ihn mir ansehen!», rief Wayland.
«Vallon wird nicht begeistert sein, wenn wir ihm so eine Vogelscheuche bringen.»
«Bring ihn her.»
Raul eskortierte Garrick zur Kirchentür. Hunger und die Plackerei auf den Feldern hatten sich in seine Züge eingegraben, doch in seinen tiefliegenden grauen Augen lag ein sarkastisches Funkeln. Aus irgendeinem Grund erwärmte sich Wayland für ihn.
«Bist du krank?»
«Wenn Hunger eine Krankheit ist, dann bin ich todkrank.»
Wayland lächelte. «Zeig mir deine Hände.»
Garrick streckte ihm seine schwieligen Schaufelhände entgegen.
«Wir haben eine sehr schwierige Reise vor uns.»
«Hier zu überleben ist noch schwerer. Den letzten Rest von meiner Ernte habe ich schon vor der Fastenzeit gegessen.»
«Er schafft es», sagte Wayland. «Such noch einen, und dann verschwinden wir.»
Raul starrte
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