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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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Buchten, in denen sie ihre Jungen zur Welt bringen. «Das ist ein gutes Omen, mein Freund. Sie sind auf dem Weg zu den Fjorden, bei denen die Falken nisten.» Er deutete auf die Küste. «Das Rote Kap. Wir haben die Jagdgebiete beinahe erreicht.»
    Wayland blickte über die goldene Straße, die von der Mitternachtssonne aufs Meer gelegt wurde, und ihm fiel auf, dass sie an einem kolossalen Steilhang endete, der zwei Eisbuchten trennte.
    Im abflauenden Wind ruderte die Mannschaft auf den riesenhaften, rötlich gefärbten Eisvorsprung zu, der wie ein Schiffsbug ins Meer ragte. Hunderte Robben schaukelten in den Wellen und beobachteten sie neugierig. Enorme Eiderentenverbände schwammen auf dem Wasser und teilten sich erst, wenn der Schiffsbug sie schon beinahe berührte. Riesige Alkvögel, so groß wie Gänse, jedoch mit Flügeln so klein wie eine Kinderhand, watschelten zum Rand einer Schäre und sprangen ins Nass. Unter Wasser flogen sie so graziös dahin wie Schwalben. «Gott hat vergessen, ihnen ein Gehirn zu geben, als er sie gemacht hat», sagte Orm. «Man kann sich mitten in eine Schar von ihnen stellen und ein Tier nach dem anderen mit der Keule erschlagen.»
    Von demselben Inselchen schoben sich auf ihren Flossen plumpe Meeresungeheuer mit abwärtsgerichteten Stoßzähnen und groben Schnurrbärten herunter und glitten in die Wogen. «Walrösser», sagte Orm und strich sich über seinen eigenen Backenbart, um Syth zum Lachen zu bringen. Von den Klippen drang unausgesetztes, schrilles Vogelgeschrei zu ihnen herunter. Jeder Absatz und jede Felsnische war von Alkvögeln und Möwen und Gott weiß von welchem anderen Federvolk besetzt. Die Klippen ragten so hoch auf, dass die Vögel, die oben vor ihnen kreisten, klein wie Mücken erschienen.
    «Es gibt in beiden Fjorden Falkennester», sagte Orm. Er deutete auf die Steilhänge, die zu dem südlichen Meeresarm hin abfielen. «Ein Horst ist dort oben.»
    Wayland ließ seinen Blick von dem mit Eisschollen übersäten Meeresarm bis zu den Klippengipfeln und dann wieder zurückwandern. Die Klippen fielen senkrecht zum Wasser ab oder wurden von Abhängen mit Geröllhalden unterbrochen, die so steil waren, dass einem vom bloßen Anblick schlecht werden konnte. Zum Wasser hin gab es keinerlei flachere Felsen, keine einzige Stelle, an der man an Land gehen konnte.
    Raul hatte nachdenklich den Zeigefinger auf die Lippen gelegt. «Da können wir nicht raufklettern.»
    «Nicht von unten jedenfalls», sagte Orm. «Es gibt auf der anderen Seite des Kaps einen Pfad auf die Klippen. Glum führt euch hinauf. Ihr müsst von dort oben aus zu den Nestern hinunterklettern. Allerdings könnt ihr die Nester von oben nicht sehen. Ich werde mit dem Schiff den Fjord hinauffahren, und euch vom Wasser aus zeigen, wo ein Horst ist. Aber zuerst müssen wir zum Lager.»
    Sie ruderten mit der Sonne im Rücken, und das Wasser tropfte rot wie Blut von ihren Ruderblättern. Auf der Nordseite des Kaps gab es einen Uferstreifen, der mit herabgestürzten Felsbrocken übersät war. Das Skelett eines Wals lag auf dem Strand wie das Gerippe eines Schiffswracks. Auf jedem Wirbel stand ein Kormoran mit ausgebreiteten schwarzen Schwingen, sodass die Vögel an unheilvolle Kreuze erinnerten. Orm steuerte zwischen Felsvorsprüngen in eine schmale Fahrrinne und ließ die
Shearwater
auf den schmalen Strand laufen. Wayland sprang in stinkenden Guano und das Gelärm zankender Vögel an Land. Ein Seeadler mit Flügeln so groß wie Tischplatten strich an ihren Gelegen vorbei und wurde von einem Möwenschwarm verjagt. Unterhalb der Felsvorsprünge saßen Blaufüchse und warteten auf Eier oder Jungvögel, die aus den Nestern abstürzten.
    Orms Basislager war eine Abschirmung aus Granitblöcken. Das Dach war unter der Last des Winterschnees zusammengebrochen, und die erste Aufgabe bestand darin, es instand zu setzen. Dann trugen sie ihre Ausrüstung ans Ufer und verstauten sie im Lager. Orm schlug vor zu essen, doch Wayland wusste, wie kurz der Grönlandsommer war, und beharrte darauf, sofort zu einem Falkennest hinaufzusteigen.
    «Syth und der Hund bleiben besser bei mir», erklärte Orm. Sie suchten die Ausrüstung zusammen. Glum hängte sich zwei aufgewickelte Seile und eine Eisenstange über den Rücken, Raul trug weitere Seile. Wayland schnallte einen Weidenkorb an seiner Schulter fest.
    Die Sonne war weiter nach Süden gewandert, und sie kletterten in dämmrigen blauen Schatten über die Felsbrocken am Strand und

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