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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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an Markland und den Wunderstrands vorbei, bevor man Winland erreicht, wo sogar die Winter schneefrei sind und die Nächte um das Julfest so lang wie die Tage. Die Erde ist dort so fruchtbar, dass der Weizen zu Broten reift, und der Tau ist so süß, dass die Kühe nur am Gras lecken müssen, um fett zu werden. In Winland reichen die Bäume bis halb in den Himmel, und in den Wäldern wimmelt es vor Rotwild und Zobeln und Bibern. Und im Meer gibt es so viele Dorsche, dass ein Mann auf ihren Rücken von einer Insel zur anderen gehen kann.»
    Wayland lächelte. «Grönland ist ein raues Land. Es wundert mich, dass du nicht fortziehst, um in diesem Paradies eine neue Heimat zu finden.»
    «Das haben meine Vorfahren ja getan. In den Zeiten meines Urgroßvaters haben sich mehr als hundert von ihnen in Winland angesiedelt. Als Junge habe ich den letzten Überlebenden dieser Kolonie gekannt. Bjarni Sigurdason hieß er, und er hörte nie auf, von den Wundern des Westlandes zu erzählen.»
    «Warum sind sie zurückgekommen?»
    «Warum sind Adam und Eva aus dem Paradies fort? Streit um Frauen. Krankheiten. Und vor allem der Kampf mit den Skraelingern.»
    «Skraelinger?»
    «Schreihälse. Hässliche Menschen. Es hat Gott in seiner Weisheit gefallen, das Westland Wilden zu geben, die nicht einmal seinen Namen kennen. Zuerst waren sie freundlich und handelten gern. Sie waren so weltfremd, dass ein Siedler ein Bündel Pelze gegen ein fingerbreites Stück Wollstoff eintauschen konnte. Aber bald wurden sie zur Gefahr. Sie haben das Vieh der Siedler gestohlen, weil sie nicht verstanden haben, dass Tiere ein persönlicher Besitz sein können, und sie haben die Jäger in den Wäldern bedroht und behauptet, der Wald wäre ihre eigenes Wildreservat. Es gab Blutvergießen, aber die Skraelinger waren viele, und die Siedler waren wenige. Nach drei Wintern ist der Anführer der Kolonie zu dem Schluss gekommen, dass es mit den Heiden niemals Frieden geben könne, und er hat die Überlebenden zurückgebracht.»
    Er verfiel in Schweigen, und als er wieder zu sprechen begann, deutete er nach Norden.
    «Ich habe in Grönland einen Skraeling gesehen – ganz am Ende der nördlichen Jagdgebiete. Da war ich unterwegs, um auf dem Packeis Robben zu jagen. Als ich abends zu meinem Lager zurückgekommen bin, habe ich Fußspuren entdeckt. Also habe ich meinen Bogen genommen und bin ihnen gefolgt. Zuerst dachte ich, es wäre ein blinder Bär, weil er von Kopf bis Fuß in Felle gekleidet war und dort, wo die Augen sein sollten, weiße Scheiben trug. Er entdeckte mich und hob seinen Speer. Ich zielte mit meinem Pfeil auf sein Herz, aber ich schoss nicht. Ich weiß auch nicht, warum. Da hob er die Hand, und ich hob meine, und dann begann er sich zurückzuziehen. Was dann geschah, war einfach unglaublich.»
    «Was hat er getan?»
    «Er ist auf einen Schlitten gesprungen und hat sich von acht Wölfen wegziehen lassen.» Orm warf Wayland einen wilden Blick zu. «Ich schwöre bei Gott, das ist die Wahrheit. Vor drei Jahren war das, und seitdem frage ich mich immer wieder, wie er so weit in den Norden gekommen ist und wie er in dieser Gegend mit zahmen Wölfen leben kann, wo wir Grönländer es dort höchstens drei Monate im Jahr aushalten.»
    «Vielleicht ist er aus dem Westland gekommen.»
    Orm stach seinen Zeigefinger gegen Waylands Brust. «Genau, mein Junge! Das sage ich zu meinen Leuten auch immer, aber sie lachen bloß und fragen, wie Skrealinger, die keine Schiffe haben, die nichts von Eisen wissen, die in Hütten aus Zweigen und Blättern leben – wie solche Wilden über das Eismeer nach Grönland gekommen sein sollen. Ihr werdet schon sehen, sage ich dann. Wo einer ist, werden ihm andere folgen. Und was dann?»
    Glum, der auf der anderen Seite des Schiffes stand, stieß einen Warnruf aus. Sein Vater hastete zu ihm hinüber, und beide lehnten sich über die Reling. «Kommt schnell!», rief Orm.
    Die ganze Schiffsbesatzung scharte sich um ihn. Unter dem Rumpf glitt eine Schule Fische oder Wale mit fahlen, gesprenkelten Körpern hindurch, aus deren Köpfen spiralförmig gedrehte Lanzen ragten.
    «Leichenwale», sagte Orm. «Manche nennen sie auch die Einhörner des Meeres. Vergesst die Falken. Wenn ihr so einen Wal fangt, habt ihr für immer ausgesorgt. Ich habe gehört, dass man in Miklagard das Gewicht eines Narwalzahns zweimal in Gold aufwiegt.»
    «Und wie fängt man sie?»
    «Sie schwimmen zum Kalben in die Fjorde, und wir harpunieren sie in den

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