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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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verdrehten sich dabei die Knöchel. Dann arbeiteten sie sich eine Geröllhalde hoch bis zum Beginn eines diagonal über die Steilwand verlaufenden Felsbruchs. Zwischen senkrecht abstürzenden Klippenvorsprüngen, von denen Eiszapfen wie Fangzähne herabhingen, stieg in schrägen Stufen eine steile Eisrinne aufwärts.
    Raul blieb beinahe der Mund offen stehen. «Orm hat ‹Pfad› gesagt.»
    «Benutzt eure Eisäxte», sagte Glum. «An den steilen Stellen schlage ich Stufen für euch heraus. Es kommen auch noch ein paar schwierige Abschnitte, für die wir uns anseilen müssen.»
    «Schwierige Abschnitte», wiederholte Raul.
    Glum bewegte sich leichtfüßig voraus und schlug mit seiner Axt Vertiefungen für die Fußspitzen aus dem Eis. Wayland wurde bewusst, wie unsicher er auf dem Eis war. Schon nach ein paar Schritten glitt er aus. Er wäre abgestürzt, wenn es ihm nicht gelungen wäre, die Axt ins Eis zu hauen.
    Raul schob sich hinter ihm in die Höhe. «Das ist das Dümmste, was ich in meinem Leben je angefangen habe.»
    Wayland sah zu Glums Umriss hinauf. «Kehr um, wenn du willst.»
    Dann ging er weiter, jeden einzelnen Schritt vorsichtig abwägend. Glum war schon am oberen Ende des tückischen Stufenverlaufs. Als Wayland zwischen seinen Füßen nach unten sah, hatte er Rauls Kopf und Schultern und die glatte Eisrinne im Blick, die in Richtung Klippenfuß abfiel. Wenn er jetzt ausrutschte, würde er Raul mit sich in die Tiefe reißen. Eissplitter rutschten an ihm vorbei. Glum zog sich über die letzte Stufe außer Sicht.
    Benutzt die Stufen, die ich ins Eis schlage.
    Wayland wartete, bis Raul bei ihm war, und streckte ihm die Hand hin. Der Deutsche war von Panik erfüllt und biss die Zähne fest zusammen.
    «Du lässt uns besser das Seil herunter», rief Wayland.
    Und das Seil kam.
    «Du vertraust ihm?», keuchte Raul.
    «Mehr als mir selbst.»
    Damit stieg er an dem Seil hinauf. Seine Füße rutschten über das unebene Eis. Oben angekommen, entdeckte er Glum, der sich mit dem Seil am Ende der Rinne hinter ein paar Felsen verkeilt hatte, um sicheren Halt zu haben. Wayland sah an ihm vorbei. Er hatte gehofft, dass der Aufstieg von nun an einfacher werden würde, doch stattdessen sah er die nächste Eiskaskade vor sich, die sogar noch steiler war als die erste.
    «Du hättest uns sagen sollen, wie gefährlich es ist.»
    Glum sah ihn ruhig an. «Wärt ihr dann mitgekommen?»
    Wayland kletterte den größten Teil der nächsten Steigung an den nackten Felsen am Rand der Eisrinne hinauf. Eine der vielen heiklen Erfordernisse dabei war, dass er sich um eine Felsnase herumschieben musste, die aus der Steilwand herausragte und sich aufgespalten hatte. Er hatte die Felsnase mit beiden Händen umfasst, ihr sein gesamtes Gewicht anvertraut, als er spürte, dass sie sich ganz langsam von der Steilwand zu lösen begann. Irgendwie kam er um die Felsnase herum, ohne dass sie abstürzte, doch dann hörte er ein knirschendes Geräusch und sah wie in Zeitlupe das oberste Stück abbrechen. Der Steinblock war doppelt so groß wie ein Männerkopf und schoss auf Raul zu die Eisrinne hinunter. Wayland biss sich auf die Faust, und das rettete den Deutschen. Hätte er eine Warnung ausgestoßen, dann hätte Raul aufgesehen und wäre mitten ins Gesicht getroffen worden. So aber duckte er sich konzentriert in die Rinne, um seine nächste Bewegung abzusichern. Er hörte den Steinblock nicht kommen, bis er unmittelbar vor ihm aufprallte und dann über ihn hinwegsprang. Er flog über die Eistreppe, und Wayland hörte, wie er an den Felswänden zersplitterte und als Geröllhagel in die Tiefe schoss. Starr vor Schreck, wartete er, bis Raul zu ihm aufgeschlossen hatte.
    Der Deutsche lehnte sich stöhnend an die Felswand, legte den Kopf zurück und schloss die Augen.
    «Ich würde es dir nicht übelnehmen, wenn du umkehrst», sagte Wayland.
    «Zu spät. Das wäre jetzt genauso gefährlich, wie weiterzumachen.»
    Er hatte recht. Ein grimmiger Fatalismus überkam Wayland, als er sich den nächsten vereisten Absatz emporarbeitete. Wenn er abstürzte, wäre alles aus – aufloderndes Entsetzen, ein schmetternder Aufprall, und dann nichts mehr.
    Nach dem dritten Absatz wurde die Eisrinne etwas breiter und der Aufstieg einfacher. Wayland musste sich nicht mehr bei jedem Schritt mit den Händen festhalten. Dann schien sich eine Dachluke zum blauen Himmel aufzutun, und er taumelte aufs Gipfelplateau. Raul arbeitete sich hinter ihm hoch, drehte sich um und

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