Der Thron der Welt
Und bei Hungersnöten setzten immer noch Eltern ihre Säuglinge den Elementen aus und brachten Blutopfer. Bildung war der Tau, der helfen würde, die zarten Keime des Christentums zu bewässern, erklärte er Hero. Zu diesem Zweck hatte er eine Schule gegründet, deren Schüler die lateinische Schrift erlernten. Er hegte großes Interesse für Heros Medizinstudium und war von dessen Sprachkenntnissen und seinem literarischen Wissen sehr beeindruckt.
Sie unterhielten sich bis spätnachts, und am nächsten Morgen gab ihnen der Bischof zwei von seinen Männern mit, die ihre Kolonne mit Tragetieren nach Reykjavík begleiteten. Der Weg führte sie durch Heideland, in dem die Farben Rostbraun und Ocker dominierten. Sie waren noch nicht sehr weit gekommen, als sie zwei Reiter auf sich zugaloppieren sahen.
«Das sind Vallon und Garrick», sagte Richard.
«Dann muss das Schiff zurück sein. Besser hätte es nicht passen können.»
Doch Richard hatte bessere Augen als Hero. «Nein. Sie bringen schlechte Nachrichten. Das sehe ich schon von hier aus.»
Bald war Vallon bei ihnen angekommen und zügelte sein Pferd. Er grüßte nicht einmal.
«Ist etwas mit der
Shearwater
?», fragte Hero.
Vallon schüttelte den Kopf. «Drogo ist hier.»
Hero fiel beinahe vom Pferd. Richard erbleichte.
Vallon begann unkonzentriert zu berichten. «Er war auf diesem Schiff, das im Süden auf die Felsen gelaufen ist. Unmittelbar stellt er kein Gefahr für uns dar. Er hat sich die Rippen gebrochen, und die Überlebenden aus seiner Mannschaft sind immer noch auf den Westmann-Inseln.» Er nickte in Richtung der bewaffneten Eskorte. «Wer sind diese Männer?»
«Bedienstete des Bischofs. Er wollte uns Schutz mit auf dem Weg geben.»
«Warum? Hat euch jemand bedroht?»
Hero und Richard wechselten einen Blick. «Nein, Herr. Wir wurden von allen sehr freundlich behandelt. Stimmt etwas nicht?»
«Ich habe mit dem Sohn eines Clanführers die Klingen gekreuzt.» Vallon sah sich um. «Ich habe mir Sorgen um eure Sicherheit gemacht.»
Danach ritten Hero und Richard jeden Morgen als Erstes auf eine Klippe oberhalb des Hafens und suchten den Atlantik in westlicher Richtung nach Schiffen ab. Doch ein Tag nach dem anderen verstrich, und der Horizont blieb leer. Die Nächte wurden länger und kälter, und morgens lag Raureif. Im Hafen wurden drei Schiffe für die Überfahrt nach Norwegen klargemacht. Eines davon war der Segler, der Caitlin zu ihrer arrangierten Ehe bringen würde. Drogo hatte den Bauernhof verlassen, auf dem er aufgenommen worden war, mehr wusste von ihm niemand. Sein plötzliches Auftauchen aus heiterem Himmel hatte Richards Selbstbewusstsein wieder einbrechen lassen.
Hero versuchte ihn zu beruhigen. «Sobald Helgi von Island abgesegelt ist, kann uns Drogo nichts mehr anhaben. Es dauert nicht mehr lange. Ihre Flotte wartet nur noch auf günstigen Wind.»
«Vallon ist dumm, wenn er glaubt, dass Drogo keine Bedrohung darstellt. Ich verstehe nicht, warum er ihn nicht getötet hat, als er die Gelegenheit dazu hatte.»
«Richard, du sprichst von deinem eigenen Bruder.»
«Denkst du vielleicht, Drogo würde mich verschonen, wenn ich ihm ausgeliefert wäre? Oder dich? Irgendeinen von uns?»
«Dein Bruder war wehrlos.»
«Genau wie Vallons Frau.»
Als sie am nächsten Morgen zu ihrem Aussichtspunkt hinaufstiegen, sahen sie, dass ein viertes Schiff im Hafen ankerte. Der Verband war bereit zum Absegeln. Doch als Hero am folgenden Tag aufwachte, herrschte dichter Nebel, und ein Sturm fegte von Nordost herein. Drei Tage tobte das Unwetter. Als es abflaute, drehte der Wind auf West und hielt den Schiffsverband damit im Hafen fest. Noch einmal zwei Tage später kam ein Junge mit der Nachricht zur Ottarshall geritten, dass es ein Schiff von Grönland in den Hafen geschafft hätte. Alle fuhren in ihre Kleidung und ritten in wildem Galopp zur Küste.
Sie trafen den Schiffsführer beim Entladen seines schwer mitgenommenen Seglers an. Vallon überhäufte ihn mit Fragen und bekam kurz angebundene Antworten. Der Schiffsführer war vor mehr als zwei Wochen bei der Ostsiedlung ausgelaufen. Der Sturm hatte sie weit südwestlich vom Kurs abgebracht. Nein, die
Shearwater
war noch nicht wieder zurück bei der Siedlung gewesen, als sie abgesegelt waren. Ja, sie hätte seitdem ebenfalls in Richtung Island in See gestochen sein können. Und wenn, dann hätte der Sturm auch sie viele Meilen vom Kurs abgebracht.
«Sie haben einen Steuermann.»
Der
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