Der Thron der Welt
Überfahrt nach Norwegen, und dort stelle ich mich dem Zweikampf mit Drogo.»
Richard fuhr auf. «Das wird Drogo nicht respektieren. Ganz gleich, auf welche Bedingungen er sich angeblich einlässt, er wird sie doch nicht einhalten.»
«Nicht, wenn er tot ist. Du solltest mehr Vertrauen zu mir haben.»
«Ich vertraue auf Wayland und Raul», sagte Hero. «Ich weiß, dass sie zurückkommen.»
Vallon schien Hero nicht zu hören. Seine Lippen bewegten sich, als formten sie die Worte eines Gedankens. «Ich werde meine Herausforderung morgen aussprechen. Und zwar in aller Öffentlichkeit, sodass sich niemand eine Ablehnung erlauben kann.» Er ließ ein hässliches Lachen folgen. «Verletzter Stolz? Niemand hat darunter mehr gelitten als ich. Das werde ich den beiden schon beibringen.» Er hackte mit dem Schwert in den Türpfosten. «Und wie ich es ihnen beibringen werde!»
«Wach auf», flüsterte Hero. «Es wird hell.»
Richard drehte sich auf die andere Seite. «Wozu denn aufstehen?»
«Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.» Hero spähte durch den dämmrigen Raum zu dem schlafenden Vallon hinüber. «Ich weiß, warum er verzweifelt ist. Er war monatelang wie in einem Grab eingesperrt und sollte einen langsamen Tod erleiden. Obwohl er von dort entkommen ist, haben ihn die Schrecken dieses Ortes noch im Griff. Für Vallon ist Warten die Hölle. Aber nur, weil er die Hoffnung aufgegeben hat, bedeutet das nicht, dass wir dasselbe tun sollten.»
«Es ist zu spät. Heute wird Vallon seine Herausforderung aussprechen.»
«Dann lass uns ein letztes Mal Ausschau halten.»
Richard vergrub das Gesicht im Kissen und schüttelte den Kopf.
Hero sah auf ihn hinunter, dann ging er hinaus.
Er zog gerade den Sattelgurt fest, als Richard in den Stall kam. «Tut mir leid», murmelte er. «Ich hatte schon jede Hoffnung aufgegeben, als Drogo aufgetaucht ist.»
Die Kapuzen ihrer Umhänge gegen den Wind tief ins Gesicht gezogen, ritten sie zur Küste. Eine so frische Brise wie diese konnte die
Shearwater
innerhalb von fünf Tagen von Grönland zurückbringen.
Sie erreichten ihren Aussichtspunkt, blieben in den Sätteln und starrten auf die hereinkommenden Brecher, bis ihre Augen tränten. Dann zogen sie sich auf die windgeschützte Seite eines Felsens zurück. Immer wieder ging Hero auf die Klippe, um übers Meer zu schauen.
«Vallon hätte sie erst gar nicht gehen lassen dürfen», sagte Richard.
Hero kauerte sich neben ihn. «Glaubst du, dass Drogo seine Herausforderung annimmt?»
«Ich sehe nicht, wie er sie ablehnen könnte. Und das macht mir Angst. Die Aussicht, mit meinem Bruder nach Norwegen zu segeln.»
«Das müssen wir nicht. Wir können hierbleiben. Vallon würde das verstehen. Ohne die Falken hat die Reise ohnehin keinen Zweck mehr.»
«Und was sollen wir hier machen?»
«Der Bischof würde uns bestimmt aufnehmen. Du hast ja gehört, wie er über den Mangel an Latinisten gejammert hat. Wir könnten in seiner Schule unterrichten.»
Richard blies sich in die Hände. «Den Rest unseres Lebens auf Island verbringen?»
«Nur bis nächsten Sommer. Ich will nicht weg, bevor ich weiß, was aus Wayland und Raul geworden ist.»
Richard verfiel in Schweigen.
«Worüber denkst du nach?», fragte Hero.
«Darüber, hierzubleiben. Nie mehr einen Apfel zu essen oder den Duft einer Rose zu riechen. Sich nie mehr an einem heißen Tag in den Schatten eines Baumes zu legen. Trockenfisch zum Frühstück, zum Mittagessen und zum Abendessen.»
Hero lachte. «So schlimm wird es schon nicht werden.» Er stand auf und streckte Richard die Hand hin. «Wir erzählen es besser Vallon, bevor er seine Herausforderung ausspricht.»
Richard kam auf die Füße. «Glaubst du wirklich, dass der Bischof uns aufnehmen würde?»
«Ganz bestimmt.»
Sie stiegen in die Sättel und blickten ein letztes Mal auf die See hinaus. Hero hatte sein Pferd schon gewendet, als ihn Richard am Arm festhielt.
Hero blinzelte angestrengt in den Wind.
«Da ist etwas Weißes», sagte Richard.
Hero sah ihn scharf an. Überall auf dem Ozean war etwas Weißes. Schaumkronen tanzten auf den Wogen. Silbersturmvögel tauchten in Wellentäler. Kleine Inseln waren weiß vom Guano.
«Jetzt ist es weg», sagte Richard. «Nein, da ist es wieder. Es taucht auf und verschwindet wieder.»
«Zeig mir, wo.»
Richard beugte sich über den Hals seines Pferdes. «Siehst du die Insel dort? Und jetzt schau nördlich von ihr aufs Wasser. Es ist beinahe am Horizont.»
Hero
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