Der Thron der Welt
beschirmte sich die Augen und spähte an der Linie entlang, die ihm Richard anzeigte. «Ich sehe es nicht.»
«Da!»
Hero wischte sich mit dem Saum seines Umhangs über die Augen und schaute angestrengt aufs Meer hinaus. Da sah er ihn plötzlich. Einen fernen Umriss, so bleich wie ein Zahn. Der Umriss verschwand, und dann tauchte er wieder auf, er hob und senkte sich im Rhythmus des Seegangs.
«Bist du sicher, dass sich da nicht einfach nur die Wellen an einem Felsen brechen?»
«Gestern war es nicht da und auch an keinem anderen Tag, an dem wir hier Ausschau gehalten haben.»
Hero musterte den Fleck, und ein Kribbeln überlief ihn. Der Fleck bewegte sich. «Du hast recht. Es ist ein Segel.»
«Und es kommt aus der richtigen Richtung.»
Hero und Richard starrten sich an, als stünden sie kurz vor einer Offenbarung.
Hero klatschte auf den Hals von Richards Pferd. «Hol Vallon.»
«Wir warten lieber, bis das Schiff im Hafen ist. Ich will sie nicht verpassen.»
«Nein. Beeil dich. Bevor er seine Herausforderung ausgesprochen hat.»
Richard ließ sein Pferd wenden und galoppierte davon. Hero raffte den Umhang eng um sich und beobachtete, wie das Schiff auf den Wellen ritt. Es wirkte so klein und zerbrechlich. Er warf einen Blick über die Schulter. Er wollte, dass Vallon kam, nicht, damit er sich wegen seiner Zweifel schämte, sondern um ihm vorzuführen, wie die Hoffnung über ein wechselvolles Geschick triumphieren konnte.
Das Schiff war nur noch eine Meile vom Land entfernt, als Hero hinter sich einen Ruf vernahm. Alle Übrigen aus der Gruppe ritten auf ihn zu. «Wir sind uns auf dem Weg begegnet!», schrie Richard.
Vallon sprang vom Pferd und lief bis an den Rand der Klippe. Die steife Brise ließ seinen Umhang hinter ihm flattern. Als er sich wieder umdrehte, tränten seine Augen. Dafür mochte der Wind verantwortlich sein oder auch etwas anderes, Hero wusste es nicht so recht.
«Es ist die
Shearwater
. Unsere Freunde sind zurückgekommen.»
Garrick und Richard bekreuzigten sich. Vallon sah Hero reuig an. «Du hattest recht», sagte er. «Aber ich ebenfalls. Ich rechne eben nicht mit Wundern.»
Da tauchten unterhalb von ihnen drei Reiter auf, die zum Hafen galoppierten. Die
Shearwater
war nun nahe genug, dass Hero an Deck Gestalten erkennen konnte, die das Segel refften, um besser in den Hafen einlaufen zu können.
«Wir sollten zu ihrem Empfang dort sein», sagte Vallon.
Lachend und jubelnd ritten sie zum Hafen hinunter. Sie waren nicht die Einzigen auf dem Weg dorthin. Anscheinend strebte die halbe Einwohnerschaft zum Kai. Vallon und seine Gefährten ritten polternd über den Landesteg. Als die
Shearwater
in den Hafen einbog, erstarben ihre Stimmen. Das Segel wurde eingeholt.
Richard stieg aus dem Sattel. «Da ist Raul. Er sieht aus wie ein Wilder.»
Hero winkte. «Und Wayland. Und Syth. Sie wirkt irgendwie anders. Oh, und der Hund. Sie sind alle sicher zurück. Großer Gott, ich danke dir.»
Wayland hob die Hand in einer Art Gruß. Ein großer weißer Vogel saß auf seiner Faust.
Hero packte Vallon am Arm. «Er hat die Falken.»
Syth hatte Wayland lächelnd an der anderen Hand genommen.
Garrick kicherte. «Und das Mädchen hat er auch bekommen, so wie es aussieht.»
Hero und Richard hängten sich ein und tanzten wie Verrückte im Kreis herum. Die Isländer sahen lächelnd zu, die meisten fröhlich, einige mit Rührung. Viele von ihnen hatten an dieser Stelle schon auf die Rückkehr ihrer Lieben gewartet, und manche waren danach alleine nach Hause gegangen.
Stille senkte sich herab, als die
Shearwater
auf ihren Liegeplatz zuglitt. Raul stand im Bug und warf Garrick ein Tau zu. Dann sprang er an Land und taumelte einen Moment lang, als hätte er damit gerechnet, dass sich die Erde gleich in die eine oder andere Richtung heben oder senken würde. Er sah sehr struppig aus und blinzelte sie mit geschwollenen Augenlidern an.
«Will uns keiner von euch begrüßen? Ihr glaubt wohl, wir wären Gespenster.»
Vallon trat vor. «Wir sind nicht sicher, ob ihr wirklich von dieser Welt seid. Ich dachte, ihr wärt tot. Was zum Teufel hat euch so lange aufgehalten?»
«Ha! Das ist eine Geschichte! Aber bis wir Gelegenheit haben, sie zu erzählen, müsst ihr nur wissen, dass uns ein Sturm nach Grönland zurückgeblasen hat. Zweimal!»
«Und das Schiff? Ist es in Ordnung?»
«Braucht ein bisschen Pflege. Nichts Ernstes. Dasselbe gilt für die Besatzung.»
«Wir werden euch verhätscheln wie
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