Der Thron der Welt
eher in ihrer Eitelkeit als in ihrem Schamgefühl getroffen gefühlt.
Nur schwaches Licht erhellte noch den Himmel, als er nach Ottarshall zurückkam. Das Haus war dunkel, und es schien niemand da zu sein. Vallon blieb im Hof stehen und versuchte, in den tiefen Schatten etwas zu erkennen. Er glaubte dennoch nicht, dass ihn Helgi auf Ottars Besitzungen angreifen würde. Trotz all seines Geredes von Ehre und Familienstolz würde dieser heuchlerische Hitzkopf ihm vermutlich irgendwo auf einer einsamen Straße im Inland auflauern.
Vallon legte die Hände um den Mund. «Garrick!»
Niemand da. Er legte das Schwert quer über den Sattel und beruhigte sein nervöses Pferd. Eine Bewegung ließ ihn herumfahren. Jemand kam über die Weide. Er entspannte sich und stieg ab. Es war nur die alte Frau.
«Wo ist Garrick?»
Anscheinend hatte sich der Engländer Sorgen gemacht, weil Vallon so lange ausgeblieben war, und angefangen, nach ihm zu suchen. Aber über Garrick wollte die Frau jetzt trotzdem nicht sprechen. Vallon schnappte das Wort ‹Orkney› auf.
Er nahm sie an ihrem abgezehrten Arm. «Sprich langsamer.»
Stück für Stück gelang es Vallon, die Neuigkeiten zusammenzusetzen. Ein paar Überlebende des Schiffsuntergangs bei den Westmann-Inseln hatten es nach Reykjavík geschafft. Einer dieser Männer hatte schwer unter Vallon gelitten und war nach Island gekommen, um Vergeltung zu üben. Der Mann hatte in einem Bauernhof an der Küste Unterkunft gefunden.
Vallon schlug sich mit der Hand an die Stirn und stöhnte.
«Snorri!»
Vallon brauchte nicht lange für den Ritt. Er hielt sein Pferd an, schwang sich aus dem Sattel und ging mit langen Schritten auf das Bauernhaus zu. Er trat an die Tür und schlug mit dem Schwert dagegen.
«Aufmachen! Ich weiß, dass ihr da drin seid.»
Mit erhobenem Schwert trat er einen Schritt zurück.
«Wer ist da?»
«Vallon, der Franke aus Ottarshall.»
Ein Fallriegel wurde angehoben, und die Tür schwang knarrend nach innen auf. Vallon sah sich einem Bauern im Nachthemd gegenüber, der eine Axt schwenkte. Hinter dem Mann beäugten ein paar Kinder Vallon wie verängstigte Mäuschen.
«Wo ist er?»
Der Blick des Bauern wanderte zu einem Kuhstall am anderen Ende des Hofes.
Vallon schritt kampfbereit darauf zu. Mit einem Tritt öffnete er die Tür und folgte seiner Klinge in den Stall. Eine Gestalt, die auf einer Bank gelegen hatte, fuhr mit entsetztem Keuchen auf und griff nach dem Schwert, das an der Wand lehnte. Vallon trat die Hand des Mannes zur Seite und setzte ihm seine Schwertspitze an den Hals.
Mit einem Fußtritt beförderte er Drogos Schwert auf die andere Seite des Kuhstalls. «Ich dachte, du wolltest auf Kriegszug gegen die Schotten gehen.»
Drogo richtete sich vorsichtig auf. «Sie wollen nicht kämpfen. Sieht so aus, als wären sie bereit, ein Friedensabkommen zu schließen. König William hat mich von meinen Pflichten entbunden, um dich zu jagen.»
Schweiß glänzte auf seiner Oberlippe. Sein einst wohlgenährtes Gesicht war hager geworden. Er trug abgewetzte Kleidung, und sein Haar war lang gewachsen und hing fettig und ungekämmt herunter.
Vallon zog sein Schwert zurück. «Ich habe keine Verbrechen begangen. Nein!», rief er, als Drogo etwas sagen wollte. «Erzähl mir nichts von den Normannen, die von meiner Hand gestorben sind. Treib einen Wolf in die Enge, und du wirst gebissen. Alles Übel, das passiert ist, hast du mit deinem Hass auf Walter in Gang gesetzt. Darum geht es. Um eine Fehde, die in der Kinderstube ihren Anfang genommen hat.»
«Du willst schuldlos sein?» Drogos Auflachen wurde zu einem gequälten Stöhnen. «Ich weiß genau, wie weit deine Verruchtheit geht. Du bist ein Söldner, der im Dienst der Ungläubigen Christen abgeschlachtet hat. Ein Renegat, der einen Vertrag gebrochen hat, der von seinem eigenen Herrn geschlossen wurde. Und außerdem bist du ein Hahnrei und ein Frauenmörder.»
Am liebsten hätte ihn Vallon augenblicklich getötet. Er schloss die Augen und atmete durch die Nase. «Drogo, du bist nicht den weiten Weg hierhergekommen, um Rache für das zu nehmen, was ich Menschen angetan habe oder auch nicht, die du nicht kennst, in Ländern, in die du noch nie auch nur einen Fuß gesetzt hast.»
«Alles, was ich über dich erfahren habe, bestätigt nur die Richtigkeit meines Vorgehens gegen dich.»
Vallon musterte ihn. Drogo war wirklich sehr heruntergekommen. «Du bist zur Zeit nicht einmal imstande, dich mit einer Katze
Weitere Kostenlose Bücher