Der Thron der Welt
Vorstellungskraft hinaus erstreckte. «Deine Geschichten. Sie sind nicht alle wahr, oder?»
«Jedes Wort.»
«Der Franke hat Glück, was?»
«Es ist mehr Gewieftheit als Glück.»
Arne nickte. «Ein Krieger braucht einen kräftigen Körper, aber ein Körper ohne einen Kopf ist nutzlos.»
Hero spürte eine Gelegenheit. «Willst du damit sagen, dass Thorfinn kein Glück hat?»
«Da sei lieber vorsichtig. Je mehr das Schicksal Thorfinns Pläne durchkreuzt, desto wilder kämpft er dagegen an. Er würde eher die Welt untergehen lassen, als eine Niederlage einzugestehen.» Arne streifte die winzigen Blüten von einem Stängel Heide. «Nein, es ist nicht das Glück, das Thorfinn bei seinen Unternehmungen fehlt. Das Zeitalter der Seeräuber ist vorbei. Die Leichen der alten Helden sind verbrannt, die Tore von Walhalla geschlossen. Oder vielleicht wird Thorfinn der letzte Krieger sein, der in Walhalla einzieht.» Arne warf den Stängel weg. «Überall, wo wir hinkommen, haben sich die Leute in Zitadellen verschanzt. Wenn sie von ihren Wachtürmen aus unsere Drachenköpfe sehen, verbarrikadieren sie die Tore, ziehen auf die Wälle, und verhöhnen uns oder zeigen uns ihre nackten Ärsche.»
«Und warum geht ihr dann immer noch auf Raubzüge?»
«Hungersnöte machen aus jedem Mann einen Piraten. Ich habe eine Frau und vier Kinder und einen Bauernhof, dessen karges Land nur zwei Kühe und zwanzig Schafe ernährt. Meine Weiden sind so steil, das ich mich mit einem Seil festbinden muss, um das Heu zu holen. Wenn diese Fahrt keinen Gewinn bringt, muss ich meine beiden Ältesten in die Knechtschaft verkaufen.»
Über die Tundra raste ein grauschwarzer Schemen. Arne zog sein Schwert.
«Das ist Waylands Hund», sagte Hero.
«Ich weiß. Ich habe gesehen, wie dieses Vieh uns von der Klippe oberhalb des Lagers aus beobachtet hat.»
Der Hund hielt etwa hundert Schritt von ihnen entfernt an und setzte sich auf die Hinterbeine. Arne murmelte eine Art Heiligenanrufung und sagte dann: «Was will er? Warum sitzt er dort?»
«Vielleicht bringt er eine Nachricht. Lass mich zu ihm gehen. Ich versuche bestimmt nicht zu flüchten.»
Arne versicherte sich mit einem Rundblick, dass keiner seiner Gefährten in Sicht war. «Aber mach schnell.»
Hero ging vorsichtig auf das Tier zu. «Guter Hund», murmelte er. Der Hund starrte hechelnd geradeaus. An sein Stachelhalsband war eine kleine Pergamentrolle gebunden. Hero löste sie aus der Schnur.
Mein lieber Freund,
ich hoffe, dieser Brief trifft dich bei Gesundheit und guter Stimmung an. Vallon verwöhnt unsere Wikingergäste so sehr, dass ich langsam fürchte, sie werden uns nicht mehr verlassen wollen, wenn es so weit ist. Bis dahin sind wir in Gedanken und Gebeten immer bei dir und Freund Garrick. Wenn sich eine Möglichkeit ergibt, lass uns wissen, wie es dir ergeht.
Um deine sichere Rückkehr betend, Richard
Hero hatte keine Möglichkeit zu antworten. Zaudernd gab er dem Hund einen Klaps, und das Tier stand auf und rannte auf demselben Weg zurück, auf dem es gekommen war. Den Brief in der Hand, ging Hero lächelnd wieder zu Arne.
«Zeig ihn mir», verlangte Arne.
«Es ist nur eine Nachricht von meinem Freund Richard. Er hofft, dass ich guten Mutes bin, und versichert, dass deine Leute bei uns gut behandelt werden.»
Arne beäugte die Schrift, dann zerknüllte er den Brief und warf ihn weg. «Thorfinn soll nichts davon erfahren. Er glaubt, dass christliche Runenzeichner bösen Zauber verbreiten.»
«Hattet ihr denn auch einmal mit christlichen Missionaren zu tun?»
«Vor drei Jahren ist ein Priester zu Thorfinns Palas gekommen und hat ihm Runen gezeigt, von denen er schwor, sie wären die Worte eures Gottes.»
«Die Bibel.»
«Er hat gesagt, dass dieser Gott … Ich habe seinen Namen vergessen.»
«Jesus.»
«Er sagte, dieser Gott hätte sich selbst zur Rettung der Frevler und Sünder geopfert.»
«Das stimmt. Jesus wurde von seinem Vater gesandt …»
Arne hob die Hand. «Er sagte, dass die Sanftmütigen über die Starken triumphieren würden und dass das Richten und Strafen allein Gottes Sache sei. Thorfinn hat gefragt, was für eine Art Gott das sein soll, der sein Leben verschwendet, um Verbrecher und Feiglinge zu retten. Da hätte der Priester so klug sein sollen, den Mund zu halten, aber stattdessen hat er mit seiner Predigt immer weitergemacht, bis Thorfinn ihn schließlich gefragt hat, ob er den Mut hätte, dem Beispiel seines Gottes zu folgen.» Arne unterbrach
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