Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
Vom Netzwerk:
sich. «Nein, das willst du nicht wissen.»
    «Ich kann es mir schon vorstellen», sagte Hero. Ein Schauder lief ihm über den Rücken.
    «Thorfinn hat dem Priester von seinen Gewalttaten erzählt – wie er die Lebern seiner Feinde gegessen und sie mit seinem Messer zum Blutadler gemacht hat. Dann hat er gesagt, wenn es diesen Gott wirklich gibt, müsse der Priester bereit sein, für die Rettung von Thorfinns Seele sein Leben zu opfern. Der Priester bekam entsetzliche Angst, und er hat seinen Gott angefleht, ihn zu retten. Thorfinn hat ihn gekreuzigt.»
    Hero starrte zu Boden. «Ist er tapfer in den Tod gegangen?»
    «Ein Mann stirbt nur im Kampf tapfer.» Arne stand auf. «Wir sind schon zu lange weg. Thorfinn wird misstrauisch werden.»
     
    Zwei Tage später umrundeten sie die Halbinsel und fuhren ins Weiße Meer ein. Bei Einbruch der Dämmerung ankerten sie in einer Flussmündung, über der sich eisengraue Klippen mit schneebedeckten Kuppen erhoben. Als sie ruhig vor Anker lagen, überprüfte Hero mit seinem Kompass ihren neuen Kurs. Sein Herz machte einen Satz, als neben ihm eine eisengraue Bewegung niederfuhr und die Ruderbank an seiner Seite zersplittern ließ.
    Thorfinn sammelte die Bruchstücke ein. «Was ist das?»
    Hero rutschte ängstlich von ihm ab. «Ein Richtungsfinder. Er kann einem den Weg zeigen, wenn Wolken vor der Sonne liegen.»
    Thorfinn starrte finster auf ihn herab, seine rechte Wange war geschwollen, sein Auge zu einem obszönen Zwinkern zusammengedrückt. «Glaubst du etwa, ich wüsste nicht, wo es langgeht?» Er schnappte sich den Kompass und warf ihn über Bord.
    Heros Angst verwandelte sich in Wut. «Du ungebildeter Heide», schrie er auf Griechisch. «Kein Wunder, dass deine Ausfahrten mit Misserfolgen enden.»
    Arne zog ihn weg. «Du Schwachkopf! Der Zahnwurm treibt ihn in den Wahnsinn. Er kann die Schmerzen nur ertragen, wenn er diejenigen in seiner Umgebung noch schlimmer leiden lässt. Du kannst von Glück reden, dass er dich nicht erschlagen hat.»
    Den gesamten restlichen Abend bekam Hero sein Zittern nicht unter Kontrolle.
    Als er am nächsten Morgen an Bord des Langschiffs ging, schubsten ihn zwei Wikinger vor Thorfinn. Bei dem Gedanken, dass der Clanchef herausgefunden haben könnte, welche Rolle er bei dem Brandanschlag auf das Langschiff gespielt hatte, gaben Heros Beine fast unter ihm nach. Thorfinn saß zusammengesackt auf einer Ruderbank, das Gesicht mit einem schmuddeligen Verband umwickelt. Er richtete sein gutes Auge auf Hero. «Du behauptest, du wärst ein Heiler.»
    Hero griff sich an die Kehle. «Ich bin Allgemeinarzt, kein Zahnarzt. In meinem Land überlassen wir das Zähneziehen den Barbieren.»
    Thorfinns helles Auge zuckte. «Ich bin aber nicht in deinem Land, und ich will auch nicht rasiert werden.»
    Arne gab Hero einen Stoß. «Besser, du machst es. Ich habe schon Männer am Zahnwurm sterben sehen, und wenn Thorfinn geht, dann nimmt er dich mit. Das kannst du mir glauben.»
    Hero verschränkte die Hände, damit sie aufhörten zu zittern. «Ich muss dich untersuchen. Leg dich auf den Rücken.»
    Schmerz und die Hoffnung, davon erlöst zu werden, können auch den wildesten Gesellen zähmen. Thorfinn streckte sich auf einer Ruderbank aus und öffnete den Mund. Hero musterte die verklebten Zähne und bemühte sich, den Fäulnisgestank nicht einzuatmen. Die Entzündung ging von einem abgebrochenen und verfaulten Backenzahn im rechten Oberkiefer aus. «Du hast eine schlimme Eiterbeule.»
    «Aargh.»
    Hero überlegte, ob er die Entzündung mit einer Lanzette aufstechen sollte, doch die Erleichterung wäre vielleicht nur von kurzer Dauer, und der Schnitt konnte die Infektion noch verschlimmern. «Der Zahn muss raus. Jeder von deinen Männern ist imstande, ihn dir zu ziehen.»
    Thorfinn grinste schaurig. «Ich will keinen von diesen Kerlen mit ihren Schlachterfingern in meinem Mund herumfummeln lassen.
Du
machst es.»
    Hero brach der kalte Schweiß aus. Da hätte er genauso gut einem Bären einen Zahn ziehen können. «Mir fehlen die richtigen Instrumente.»
    Einer der Wikinger gab ihm eine Schmiedezange. «Mit der wird es gehen.»
    «Nein, wird es nicht. Der Zahnstumpf ist zu kurz, um ihn richtig zu packen. Die Zange wird die Zahnwände bloß zerdrücken, und dann geht es ihm noch schlechter als jetzt schon.»
    Thorfinn klopfte sich an die geschwollene Backe. «Genug geredet.»
    Hero sah zur Rah hinauf. Er hatte eine Idee. Zuerst wollte er sie als absurd abtun, doch

Weitere Kostenlose Bücher