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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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darauf hin, dass sie etwas zu verbergen hatten. Er sah Wayland an und zuckte mit den Schultern.
    Ivanko lud sie in sein Blockhaus ein. Ein Herd verräucherte den Innenraum. Hero rieb sich hustend die Augen. «Sie machen es falsch herum. Die Kälte zieht durch den Kamin herein, und die Wärme entweicht durch die Tür.»
    Nach einem Essen aus Brei und Kwas luden Ivanko und seine Söhne ihre Ausrüstung in einen grob behauenen Einbaum, den sie in einen Schlitten oder einen Karren verwandeln konnten, indem sie Kufen oder Räder daran montierten. Sie schirrten zwei Pferde an, und dann, nach einem kurzen Gebet, ging es los. Unterwegs nahmen sie weitere Träger aus anderen Bauernhäusern mit, und als sie schließlich abends den Halt ausriefen, waren noch zwölf Träger, vier Pferde und zwei Kanus dazugekommen. Alle Träger schienen begeistert von dem Gedanken, ihre alltäglichen Arbeiten für das Vorrecht ruhen zu lassen, drei schwerbeladene Boote durch neunzig Meilen Wald zu ziehen.
    Am nächsten Tag verließen sie die Lowat und begannen die Portage. Es war nicht so mühsam, wie Vallon gedacht hatte. Oleg nutzte jeden kleinen Fluss oder See, und davon gab es in dieser Gegend viele. Zwischen den Wasserläufen schoben Ivanko und seine Leute die Karren unter die Boote und zogen sie mit Pferden, doch auch die Männer legten sich in die Seile und sangen dabei. Der Weg wurde offenkundig viel benutzt, über einigen Sumpfstellen waren Dammwege aus Balken angelegt worden. Am Abend schlug die Karawane ihr Lager neben geschwärzten Steinkreisen der Lagerfeuer früherer Reisender auf. Zweimal kamen sie bei der Portage an verwitterten hölzernen Kultbildern vorbei. Die phallischen Säulen trugen schnurrbärtige Gesichter, die in alle vier Richtungen schauten. Schließlich bekamen sie aus Oleg heraus, dass es sich um Perun handelte, den Donnergott. Er gab vor, die Götterstatuen nicht zu bemerken, und es war ihm offenkundig unangenehm, als sich die Träger vor ihnen verbeugten und bekreuzigten. Vallon war ihre Abgötterei vollkommen gleichgültig. Sei waren fröhliche und willige Arbeiter und in ihrem Handwerk äußerst geschickt. Je nachdem, was der Moment erforderte, konnten sie ihre Äxte als Messer, Hobel, Säge oder Hammer einsetzen.
    Sie kamen immer höher, doch der Weg wurde nie steil, stieg nur langsam an, bis sie schließlich aus dem Wald heraus waren und ein Torfmoor-Gebiet erreichten. Vallon fühlte sich, als stünde er am Mittelpunkt der Welt. Wohin er auch sah, überall umgaben ihn sanft dahinrollende, goldbraune Waldhügel, deren Kämme im Dunst verschwammen, bis der letzte nicht mehr vom Himmel zu unterscheiden war. Oleg deutete nach Süden. «Dnjepr», sagte er. Dann schwang er seine Hand nach Nordosten. «Wolga.» Dann nickte er mit sehr ernster Miene, als wolle er eine Wahrheit bekräftigen. Dass nämlich die Lebensadern von Rus in diesem Kernland entsprangen.
    «Habt ihr das gehört?», rief Vallon. «Wir haben die Wasserscheide erreicht.»
    «Was für eine Erleichterung, auf der richtigen Seite der Schwerkraft zu stehen», sagte Richard.
    Hero lachte über Vallons Verwirrung. «Er meint, dass unser Weg von jetzt an abwärts führt. Die ganze Strecke bis zum Schwarzen Meer.»
     
    Um die Mittagszeit des nächsten Tages fuhren sie flussab in einen Wald, an den seit dem Schöpfungstag kein Mensch Hand angelegt hatte. Wayland lag auf dem Rücken, Syths Kopf ruhte auf seinem Arm und ließ die Bäume über sich vorbeiziehen. Es waren altvertraute Baumarten, doch sie waren zu unglaublicher Größe herangewachsen. Viele der Eichen- und Kiefernstämme ragten achtzig Fuß auf, bevor die ersten Äste kamen, und manche der Fichten mussten hundertfünfzig Fuß hoch sein. Es war ein Ort der Vergänglichkeit und Erneuerung, hier sprossen neue Schösslinge aus totem Holz, verschiedene Baumarten umarmten sich in spiraligem Wachstum, verfaulende Giganten verschmolzen wieder mit der Erde. So weit im Süden war noch Herbst, und die Reisenden glitten in einem niemals endenden gelben, roten und braunen Blätterregen dahin, der zu einem bunten Mosaik auf der Wasseroberfläche wurde.
    Wenige kürzere Portage-Strecken brachten sie zu einem breiten, ruhigen Fluss. «Dwina», sagte Oleg. «Drei Tage, und wir sind beim Dnjepr.»
    Vallon redete unter vier Augen mit Wayland, während die Träger die Boote vorbereiteten. «Du täuschst dich in Vasili. Ich beobachte Oleg wie ein Luchs, und er ist so ehrlich, wie man es sich nur vorstellen

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