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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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duckten sich unterschiedslos auf den Boden und schützten den Kopf mit den Händen.
    Der Sturm zog vorüber. Die Sonne brach durch. Nacheinander richteten sich die Reisenden auf und wechselten ein schwaches Grinsen. Kein Blatt hing mehr an einem Baum, an jeder Zweigspitze funkelten Wassertropfen. Niemand war verletzt worden. Vielmehr hatte der Sturm die drückende Atmosphäre gereinigt, und an diesem Abend aßen die Reisenden und die Träger im Kreis ums gemeinsame Lagerfeuer. Vallon fragte Ivanko über die Route aus und überredete ihn, von ihr abzuweichen, sodass sie den Dnjepr an einer Stelle erreichen würden, an der man nach einer üblichen Portage niemals ankam. Sie besiegelten ihre Abmachung mit einem Handschlag, bei dem etwas Silber von einer Handfläche in die andere wechselte.
    Bei Sonnenaufgang überschirmten Spinnweben ihren Weg wie Seidenbaldachine, in denen der Tau silbrig glitzerte. Die Träger ließen ihre Einbäume zurück und schleppten die umgedrehten Boote auf den Schultern über Land. Ihre Beine gaben schon fast unter ihnen nach, als sie endlich aus dem Wald kamen. Vor ihnen fiel eine Wiese sanft zu einem Fluss hin ab, der sich in einem weiten, schimmernden Halbkreis davonschwang. Auf der gegenüberliegenden Seite reichte der dichte Wald vom Ufer bis hinauf zu den Graten der Kalksteinhügel.
    Ivanko streckte die Hand aus wie ein Prophet. «Dnjepr!»
    Hero und Richard sprangen vor Freude herum wie Zicklein, und sogar Vallon klopfte seinen Gefährten grinsend auf den Rücken. Aber es war zu früh, um sich in Sicherheit zu wiegen. Die Flusskehren in beiden Richtungen beschränkten seine Sicht auf wenige Meilen.
    Er deutete flussauf. «Wie weit ist Smolensk? Wie lange würde ein Boot brauchen, um hierherzufahren?»
    Ivanko dachte nach. «Einen Tag, vielleicht zwei.»
    «Und bis zu der Stelle, an die ihr uns nach Olegs Plan bringen solltet?»
    «Einen halben Tag.»
    Das war beunruhigend nahe. Vallon musterte die Umgebung. Eine warme Brise strich vom Fluss herauf und zauste das Gras auf der Wiese. Eine Braunbärin und ihre beiden Jungen stöberten am Ufer herum. Als Wayland in die Hände klatschte, stellte sich die Bärin auf die Hinterbeine, spähte kurzsichtig in seine Richtung und ließ sich dann wieder auf alle viere fallen, um gemächlich von dannen zu trotten, die umhertollenden Bärenkinder auf den Fersen. Am jenseitigen Ufer tauchte eine Gruppe Rehe auf. Sie starrten wie gelähmt zu den Eindringlingen hinüber, und dann verschwanden sie zwischen den Bäumen.
    «Hier war seit Tagen kein Mensch», sagte Wayland.
    Vallon warf einen Blick über die Schulter. «Es wird dauern, bis wir die Boote vorbereitet haben. Bleib hier und sichere uns nach hinten ab, bis du das Signal hörst.»
    «Niemand folgt uns», sagte Wayland.
    «Und niemand lauert uns auf. Du bist derjenige, der damit angefangen hat, bleiben wir also wachsam. Du kennst die Signale. Ein langes Hornsignal bedeutet, dass wir aufbrechen. Drei kurze Signale, und wir sind in Schwierigkeiten geraten.»

XXXIX
    E inen friedlicheren Ort konnte man sich kaum denken. Hier an seinem Oberlauf war der Dnjepr weniger als zweihundert Schritt breit und bildete ein langgestrecktes Becken, aus dem hell plätschernde Wasserläufe abzweigten. An den seichten Stellen standen Elritzenschwärme im Wasser, und oft wechselten die kleinen Fische blitzartig die Richtung. Blaue und gelbe Libellen jagten über dem Wasser. Am Ende des Flussbeckens befand sich eine Furt, deren Ufer von ungewöhnlich großen Rindern aufgewühlt waren. Die Tiere hatten die Furt vor kurzem durchquert, und wenn ihre Spuren zum Maßstab genommen werden konnten, mussten die Viehhirten wohl an die zehn Fuß groß sein. Vallon füllte mit seinem gesamten Fuß nur die Hälfte der Spalthufenabdrücke aus.
    Die Träger ließen die Boote ins Wasser gleiten, dann kam Ivanko auf Vallon zu und erklärte, ihre Arbeit sei getan. Richard gab ihren Lohn aus, und die Männer reckten die Hälse über die Schultern der vor ihnen Stehenden, um mitzurechnen.
    Vallons Leute lagen im Gras und genossen die Wärme. Ein paar hatten sich einen Oberarm über die Augen gelegt und dösten.
    Vallon klatschte in die Hände. «Die Boote müssen beladen werden.»
    Hero schlug die Augen auf. «Können wir nicht zuerst etwas essen?»
    «Nein. Ich will so schnell wie möglich hier weg.»
    Wulfstan kam vom Ufer herauf. «An unserem Boot ist eine Planke gesprungen. Wir müssen im Wald an einen Felsen gestoßen sein. Der Sprung

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