Der Thron der Welt
dem Hund vorging. Zögernd tastete er nach dem Beutel. Merkwürdig. Er hatte erwartet, dass dieser von dem Armbrustbolzen an seinen Rücken genagelt wäre, doch er ließ sich ganz leicht bewegen. Er griff über seine Schulter, packte den Armbrustbolzen und zog. Der Beutel löste sich. Mit einem Schlag verstand er, was passiert war. Er warf den Kopf zurück und lachte. Verstört von diesem fremden Geräusch, rückte der Hund von ihm ab und rollte sich ein gutes Stück entfernt zusammen.
Wayland befreite sich von dem Beutel. Der untere Teil war blutgetränkt und roch süßlich. Er schnürte den Beutel auf, fuhr mit der Hand hinein und schöpfte eine Handvoll blutigen Haferbrei heraus. Das geronnene Blut stammte von dem Eber, den sie am Vortag erlegt hatten. Wayland hatte das Blut in eine Schafsblase gefüllt, weil er es für einen Pudding verwenden wollte. Er streckte dem Hund das rötliche Gemisch entgegen. Doch Waylands Stimmungsumschwünge hatten das Tier misstrauisch gemacht, und es blieb, wo es war.
Wayland hatte das Zeitgefühl verloren. Er konnte nicht einschätzen, wie lange er schon an die Erle gelehnt dasaß. Vermutlich hatten die Normannen die Brücke überquert und schlichen sich zu ihm herauf. Er kroch ein Stück aus der Deckung. Die Soldaten waren immer noch auf der anderen Seite, vier von ihnen kauerten hinter Bäumen in Deckung, und der Jagdmeister kniete auf dem Boden.
«… blutet wie ein angestochenes Schwein. Der wird nicht mehr weit kommen.»
Drax berührte die Hand des Jagdmeisters, musterte die rötliche Verfärbung seiner Finger, und beugte sich dann hinunter, um sie an ein paar halbverfaulten Blättern abzuwischen. Er starrte zur anderen Seite der Schlucht.
«Es ist fast dunkel», sagte einer der Soldaten. «Und er hat den Hund bei sich. Wahrscheinlich ist er zum Sterben in irgendeine Höhle gekrochen. Warten wir bis zum Hellwerden.»
Drax sah zu den Bäumen empor, die in den dunkler werdenden Himmel aufragten. «Roussel war mein Waffenbruder. Das Mindeste, was ich tun kann, ist, mir die Leiche seines Mörders zu holen. Rufus, komm mit. Und ihr anderen gebt uns Deckung.»
Drax kletterte auf den Stamm und begann sich darauf vorwärtszuschieben. Schwert und Schild hielt er in den seitlich ausgestreckten Armen, um das Gleichgewicht zu wahren. Wayland beobachtete ihn. Er wartete, bis Drax in der Mitte angekommen war, bevor er den Bogen spannte. Es war ein schwieriger Schuss, in einem schräg abwärts gerichteten Winkel, und das Ziel war in dem diffusen Licht nur undeutlich zu erkennen. Er sah nicht, wohin sein erster Pfeil flog. Drax hatte das Zischen gehört, blieb stehen, und suchte schwankend das Gleichgewicht zu halten. Wayland ließ einen weiteren Pfeil abschnellen und schnalzte ärgerlich mit der Zunge, als das Geschoss neben Drax’ Füßen im Baumstamm stecken blieb.
«Kommt zurück!»
Rufus schaffte es mit trippelnden Schritten, sich in Sicherheit zu bringen, Drax drehte sich schwerfällig wie ein alter Mann um. Wayland suchte sich eine bessere Schussposition, doch er musste den Bogen nicht mehr spannen. Drax glitt aus. Seine Beine rutschten ihm unter dem Körper weg. Er ließ seine Waffen rechtzeitig fallen, um noch die Arme um den Baumstamm schlingen zu können. So hing er mit zappelnden Beinen da und versuchte, sich wieder hinaufzuziehen, aber das stark verrottete Holz bot keinen Halt. Einen Moment konnte er sich dank der schieren Kraft seines Entsetzens noch festklammern, dann stürzte er mit einem langgezogenen Schrei in die Schlucht.
Die Soldaten gaben keinen Laut von sich. Wie besiegte Geister zogen sie sich hinter ihren erhobenen Schilden in den Wald zurück. Mit einem tiefen Seufzer ließ sich Wayland rücklings auf den Waldboden fallen und streckte die Glieder von sich. So lag er unbeweglich, während der Himmel schwarz wurde und allmählich Sterne durch das Kronendach der Bäume blitzten. Er begann zu frieren, bewegte sich aber noch immer nicht. Fledermäuse sausten über ihm durch die Luft. Neben ihm verschlang der Hund das blutige Haferbreigemisch. Wie Luftblasen stiegen die Bilder des Tages vor Wayland auf. Seit seine Familie niedergemetzelt worden war, hatte er jeden Tag von seiner Rache geträumt. Er hatte sich das berauschende Triumphgefühl ausgemalt, das ihn erfüllen würde. Doch nun, wo der Moment gekommen war, fühlte er gar nichts.
Er überquerte den Fluss etwas weiter stromaufwärts und schickte den Hund voraus, um den Weg zu sichern. Als das Tier
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