Der Thron der Welt
versperrt war. Er drehte sich um, sein Gesicht war mit Blut bespritzt. «Nimm das andere Ende.»
«Wo ist Raul?»
«Einer der Soldaten ist geflohen. Raul verfolgt ihn.»
Es gelang ihnen, den Balken zu heben. Vallon drückte die Torflügel auf. Hinter ihnen auf der Straße wurden Schritte hörbar, und er drehte sich mit gezogenem Schwert um. Doch es war Raul, der auf sie zukam. Er hielt sich die Seite, und immer noch hingen die Kettenstücke an seinen Armen und Beinen. «Hab ihn verloren», keuchte er.
Aus der Stadt erklangen Rufe.
«Machen wir, dass wir wegkommen», sagte Vallon. «Hast du die Maultiere mitgebracht?»
«Sie sind bei Wayland.»
«Wie viele sind es?»
«Zwei.»
«Das sind nicht genug. Zu Fuß können wir unmöglich entkommen.» Vallon hastete zu den Stallungen hinüber. «Raul, du hilfst mir. Hero, pass auf die Straße auf.»
Nur halb drang in Heros Bewusstsein, dass immer mehr Fensterläden geöffnet wurden und Warnrufe erschollen. Er sah immer noch den flehenden Blick des sterbenden Soldaten vor sich. Dann berührte jemand seinen Arm. Wayland war aus der Dunkelheit aufgetaucht. Er deutete mit dem Kinn auf den Soldaten, der vor dem Eingang zur Wachstube lag.
«Drinnen sind noch mehr. Es ist ein Leichenhaus.» Heros Magen hob sich.
Vallon und Raul eilten mit zwei gesattelten Pferden aus dem Stall. Auf dem Burgwall wurden Fackeln entzündet. Ein Horn wurde geblasen.
«Sie kommen», sagte Vallon. Er half Hero auf eines der Maultiere und stieg auf sein Pferd. «Reitet wie der Teufel.»
Sie galoppierten fort von der Stadt. Vallon zerrte Heros Maultier am Zügel neben sich her. Sie kamen an einen Fluss und ritten hindurch, das Wasser umspülte ihre Knie. Auf der anderen Seite hielt Vallon an. Im Morgengrauen warf das Massiv der Stadt einen riesigen Schatten, aus dem sich drei Fackelwürmer herausbewegten.
«Jetzt ist uns nicht mehr nur Drogo auf den Fersen», sagte Vallon. «Die Normannen werden jeden Stein umdrehen, um uns zu finden. Sie werden sämtliche Häfen überwachen. Wir müssen nach Westen, uns in einem Wald verstecken.»
«Wir haben das Schiff gefunden.»
«Ihr habt es gefunden! Wo?»
«Wayland wird es Euch erklären.»
«Es ist beschädigt», murmelte der Falkner.
Vallon blieb der Mund offen stehen. «Er spricht. Träume ich? Ist das heute die Nacht der Wunder?» Er packte Wayland am Arm. «Beschädigt? Wie schwer? Wie lange brauchen wir, um es seetüchtig zu machen?»
«Ich weiß nicht. Tage, sagt Snorri.»
«Wir haben aber nicht tagelang Zeit», sagte Raul. «Drogo wird über den Geldverleiher von dem Schiff erfahren.»
Vallon dachte darüber nach. «Aaron wird von dem Schiff nichts verraten, und sogar Drogo wird es sich zweimal überlegen, bevor er einem Goldesel des Königs etwas antut.» Er wandte sich an Wayland. «Wo liegt das Schiff?»
«Nicht in einem Hafen. Es ist in den Marschen versteckt.»
Einer der Fackelzüge bewegte sich in ihre Richtung. «Besser, wir verschwinden jetzt», meinte Raul.
«Reitet los», sagte Vallon. Er lenkte sein Pferd neben Heros Maultier. Der Mond kam hinter den Wolken hervor und beschien eine Seite seines blutbespritzten Gesichts. Er breitete die Arme aus, um Hero zu umarmen, doch Hero schlug sie zur Seite.
«Wir mussten die Soldaten töten», sagte Vallon. «Wenn wir es nicht getan hätten, wären wir jetzt alle drei tot. Und wir hätten keinen schönen Tod gehabt. Bevor wir gehängt worden wären, hätten sie uns auf der Streckbank die Knochen aus den Gelenken gerissen, und sie hätten uns den Schädel zusammengepresst, bis uns die Augen aus den Höhlen gequollen und uns das Gehirn zu den Ohren herausgelaufen wäre.»
«Dafür bin ich nicht zurückgekommen!», rief Hero.
«Und deshalb habe ich dich weggeschickt.»
Hero schluchzte. Tränen rannen ihm übers Gesicht. «Ich wollte Arzt werden. Ich wollte Leben retten.»
Vallon schüttelte ihn. «Das hast du doch. Du hast mir das Leben gerettet. Und Raul. Und du hast dich selbst gerettet.» Er nahm die Zügel. «Und jetzt sei still und reite.»
XIII
D er Sonnenuntergang vergoldete die Spitzen der Schilfhalme, als Snorri den letzten aus der Flüchtlingsgruppe auf die Insel stakte. Die Hochstimmung war von Niedergeschlagenheit abgelöst worden. Es schien Vallon, als wären sie in einer Sackgasse und nicht in einem sicheren Versteck gelandet. All ihre Hoffnungen ruhten auf einem angeschlagenen Schiff und einem verkrüppelten Mann. Auch wenn das Schiff noch zu retten war, konnte
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