Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
schwarze Nacht.
8
Intrigen
Der Morgen der Gerichtsverhandlung gegen Arista Essendon kam, und mit ihm der erste Schnee. Obwohl er kein Auge zugetan hatte, fühlte sich Percy Braga kein bisschen müde. Seit er am Morgen zuvor mit der Entsendung der Prozessankündigung das Räderwerk in Bewegung gesetzt hatte, waren da Hunderte Einzelheiten gewesen, um die er sich persönlich kümmern musste. Er ging gerade noch einmal die Zeugenliste durch, als es an der Tür seines Amtszimmers klopfte und ein Diener eintrat.
»Verzeiht die Störung, Herr«, sagte der Mann mit einer Verbeugung. »Bischof Saldur ist hier. Er sagt, Ihr wolltet ihn sprechen?
»Gewiss, gewiss, schick ihn herein«, antwortete der Großherzog.
Der Kirchenfürst, ein schon ziemlich alter Mann, erschien in seinem schwarz-roten Ornat. Braga ging quer durch den Raum auf ihn zu, verbeugte sich und küsste den Bischofsring. »Danke, dass Ihr so früh schon kommt, Euer Gnaden. Habt Ihr Hunger? Darf ich Euch ein Frühstück kommen lassen?«
»Nein, danke, ich habe schon gefrühstückt. In meinem Alter neigt man dazu, früh aufzuwachen, ob man will oder nicht. Weshalb wolltet Ihr mich sprechen?«
»Ich wollte nur sicherstellen, dass Ihr keine Fragen wegen Eurer heutigen Zeugenaussage habt. Falls doch, können wir sie jetzt eben besprechen. Ich habe mir etwas Zeit dafür freigehalten.«
»Ah, verstehe«, sagte der Bischof und nickte. »Ich glaube nicht, dass das nötig ist. Ich bin mir über die Erfordernisse durchaus im Klaren.«
»Wunderbar, dann wäre das ja wohl geregelt.«
»Voll und ganz«, sagte der Bischof und warf einen Blick auf die Karaffe. »Ist das da Branntwein?«
»Ja, möchtet Ihr ein Glas?«
»Normalerweise würde ich ja so früh am Tag nichts trinken, aber dies ist schließlich ein besonderer Anlass.«
»Da bin ich ganz Eurer Meinung, Euer Gnaden.«
Der Bischof setzte sich in einen Sessel am Kamin, während Braga zwei Gläser Branntwein einschenkte und eins seinem Gast reichte. »Auf das neue Regime in Melengar«, sagte der Großherzog und erhob sein Glas. Das Kristall klang glockenrein, als sie anstießen. Dann nahm jeder einen großen Schluck.
»Ach, das hat etwas, so ein kleiner Branntwein an einem verschneiten Tag«, bemerkte Saldur befriedigt. Der Kirchenfürst hatte weißes Haar und sanft wirkende Augen. Wie er dort saß, im Feuerschein, das Glas in der faltigen Hand, schien er das Inbild des gütigen Großvaters. Doch Braga wusste es besser. Ohne ein gewisses Maß an Skrupellosigkeit hätte Saldur es nie geschafft, in diese Position aufzusteigen. Als Bischof war er einer der höchsten Amtsträger der Nyphronkirche und einer der mächtigsten Männer im Klerusvon Melengar. Er wohnte und wirkte in der gewaltigen Mares-Kathedrale, einem Gebäude, das fast so imposant war wie Schloss Essendon und mit Sicherheit für die Menschen eine wichtigere Rolle spielte. Von den neunzehn Bischöfen, die über die Kirche und die Gläubigen wachten, gehörte Saldur nach Bragas Einschätzung zu den drei einflussreichsten.
»Wie lange noch bis zur Verhandlung?«, fragte Saldur.
»Wir beginnen etwa in einer Stunde.«
»Ich muss sagen, Percy, Ihr habt das Ganze bisher sehr gut gehandhabt.« Saldur lächelte ihn an. »Die Kirche ist ausgesprochen erfreut. Wir haben nicht wenig in Euch investiert, aber offensichtlich war das eine gute Wahl. Wenn man so langfristig plant wie wir, kann man sich nicht immer sicher sein, dass man die richtigen Leute in entscheidende Positionen gebracht hat. Jeder dieser Übernahmeschritte verlangt extremes Fingerspitzengefühl. Wir wollen ja nicht etwa der Manipulation verdächtigt werden. Wenn es so weit ist, muss es so aussehen, als ob alle Monarchien freiwillig für das Neue Imperium sind. Ich muss gestehen, ich hatte, was Euch angeht, meine Zweifel.«
Braga zog eine Augenbraue hoch. »Das überrascht mich.«
»Nun ja, Ihr saht nicht so aus, als hättet Ihr das Zeug zum König, damals, als wir Eure Ehe mit Amraths Schwester eingefädelt haben. Ihr wart ein dürrer, großspuriger kleiner –«
»Das ist fast zwanzig Jahre her«, protestierte Braga.
»Das stimmt. Aber was ich sagen will, ist, damals war das Einzige, was mir an Euch aufgefallen ist, Euer Geschick mit dem Schwert in Verbindung mit Euren stramm imperialistischen Ansichten. Da Ihr noch so jung wart, hatte ich die Befürchtung, Ihr könntet – nun ja, was garantierte, dass Eure Loyalität von Dauer sein würde? Aber Ihr habt mich eines Besseren
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