Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
Falkenfahne, die der Reiter trug.
»Doch«, sagte Denek erstaunt. »Das ist das königliche Banner. Es ist ein Bote aus Medford.«
Sie wechselten fragende Blicke, als der Bote in die Burg ritt und nicht wieder herauskam. Dann hörten sie weiter zu, wie Myron vergeblich versuchte, Denek davon zu überzeugen, dass das Klosterleben gar nicht so schlecht sei. Plötzlich kam Fanen den Wehrgang entlanggerannt.
»Hier seid ihr!«, rief er. »Vater hat die halbe Burg auf die Suche nach euch geschickt.«
»Nach uns?«, fragte Hadrian.
»Ja.« Fanen nickte. »Er will die beiden Diebe sofort im Beratungssaal sehen.«
»Du hast doch nicht das Tafelsilber oder so etwas gestohlen, Royce?«, fragte Hadrian.
»Ich wette, es hat eher damit zu tun, dass du heute Nachmittag mit Lenare geflirtet und Mauvin aus reiner Angeberei die Klinge an den Hals gesetzt hast«, gab Royce zurück.
»Das war deine Schuld«, sagte Hadrian und stach mit dem Zeigefinger auf ihn ein.
»Darum geht es nicht«, unterbrach sie Fanen. »Prinzessin Arista soll morgen wegen Hochverrats hingerichtet werden!«
***
Einst, vor langer Zeit, war die große Halle von Drondilsfeld der erste Thronsaal von Melengar gewesen. Hier hatte König Tolin die Drondil-Charta, die das Königreich offiziell begründete, aufgesetzt und unterzeichnet. Inzwischen alt und verblichen, hatte das Dokument einen Ehrenplatz an der Wand,zwischen burgunderroten, von Goldkordeln mit Seidentroddeln zurückgehaltenen Vorhängen. Jetzt diente die Halle dem Grafen Pickering als Beratungssaal. Royce und Hadrian betraten sie zögernd.
An einem langen Tisch in der Mitte des Raums saßen ein Dutzend Männer in der erlesenen Kleidung von Edelleuten. Hadrian kannte die meisten und konnte sich bei den übrigen ziemlich genau denken, wer sie waren. Grafen, Barone, hohe Beamte – die Führungselite des östlichen Melengar saß hier vor ihnen versammelt. Den Vorsitz am Tisch hatte Alric, und zu seiner Rechten saß Graf Pickering. Hinter dem Grafen stand Mauvin, und bei Hadrians und Royces Eintreten bezog Fanen neben seinem Bruder Position. Alric trug edle Kleider, zweifellos aus den Beständen der Pickerings. Es war noch keinen Tag her, dass Hadrian den Prinzen zuletzt gesehen hatte, aber er fand, dass Alric um einiges älter aussah als in seiner Erinnerung.
»Hast du ihnen gesagt, warum sie hier sind?«, fragte Graf Pickering seinen Sohn.
»Ich habe ihnen gesagt, die Prinzessin solle hingerichtet werden«, antwortete Fanen. »Mehr nicht.«
»Ich bin von Großherzog Braga nach Melengar einbestellt worden«, erklärte Graf Pickering und hob die Eilbotschaft hoch, »um auf Schloss Essendon dem morgen stattfindenden Prozess gegen Prinzessin Arista wegen Hochverrats, Mordes und Hexerei beizuwohnen. Er beschuldigt sie, nicht nur Amrath, sondern auch Alric umgebracht zu haben.« Er ließ das Schreiben auf den Tisch fallen und klatschte empört mit der flachen Hand darauf. »Dieser Schuft will das Königreich an sich reißen!«
»Es ist noch schlimmer, als ich dachte«, resümierte Alric für die beiden Diebe. »Mein Onkel hat geplant, meinen Vaterund mich töten zu lassen und beide Morde Arista in die Schuhe zu schieben. Er will sie hinrichten lassen und selbst den Thron besteigen. Niemand wird es durchschauen. Er wird allen einreden, er sei der große Retter des Königreichs. Es wird ihm garantiert gelingen. Schließlich habe selbst ich Arista noch vor wenigen Tagen verdächtigt.«
»Das stimmt. Es geht schon lange das Gerücht, dass Arista sich in den arkanen Künsten versucht«, bestätigte Pickering. »Braga wird seine Beschuldigungen problemlos untermauern können. Die Leute fürchten, was sie nicht verstehen. Eine Frau mit magischen Kräften – eine beängstigende Vorstellung für alte Männer in komfortablen Positionen. Aber auch ohne das Schreckgespenst der Hexerei ist den meisten Adligen nicht wohl bei dem Gedanken, von einer Frau regiert zu werden. Der Schuldspruch wird fallen. Und das Urteil wird prompt vollstreckt werden.«
»Aber wenn der Prinz dort eintrifft«, sagte Baron Enild, »und beweist, dass er noch lebt, dann –«
»Genau das will Braga doch«, erklärte Baron Ecton. »Er schafft es nicht, Alric zu finden. Er lässt ihn seit Tagen vergeblich suchen. Jetzt will er ihn aus seinem Versteck hervor zwingen, ehe Alric die Möglichkeit hat, ein Heer gegen ihn aufzubieten. Er baut auf die Jugend und Unerfahrenheit des Prinzen. Er will Alric provozieren, emotional statt
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