Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
Befriedigung gönne ich ihnen natürlich nicht. Ich werde jemand anderen dingen, um die nächste Serie Briefe von der Winde-Abtei abzufangen.«
»Dann waren die Briefe, die Ihr besaßt, also eine Korrespondenz zwischen dem Markgrafen von Glouston und König Amrath?«, fragte Saldur.
Archibald sah den Bischof erstaunt an. »Interessante Vermutung, Euer Gnaden. Nein, es waren Liebesbriefe zwischen seiner Tochter und ihrem nationalistischen Geliebten Gaunt. Ich wollte, dass Victor seine Tochter mir gibt, um der Schande zu entgehen, dass die Liebesbeziehung seiner Tochter mit einem Gemeinen publik würde.«
Saldur schmunzelte.
»Habe ich etwas Belustigendes gesagt?«
»Ihr hattet mehr in der Hand, als Euch bewusst war«, erklärte Saldur. »Das waren keine Liebesbriefe, und sie waren auch nicht an Degan Gaunt.«
»Bei allem Respekt, Euer Gnaden, ich hatte die Briefe doch vor mir. Sie waren an ihn gerichtet.«
»Das mag wohl sein, aber es war nur eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass die Briefe jemandem wie Euch in die Hände fallen würden. Sehr clever sogar. Ein feines Ablenkungsmanöver, falls jemand die Briefe abfinge. Degan Gaunt als Geliebter steht wohl eher für Lanaklins Verlangen nacheiner Revolution gegen Ethelred. Würde der Markgraf seine Ansichten offen äußern, drohte ihm die Hinrichtung. Diese Briefe waren in Wirklichkeit verschlüsselte Botschaften, die Victor Lanaklin über Alenda einem Boten König Amraths zukommen ließ. Der Markgraf von Glouston ist ein Verräter an seinem König und an der imperialistischen Sache. Wenn Euch das klar gewesen wäre, hättet Ihr ganz Glouston und Victors Kopf als Hochzeitsgeschenk haben können.«
»Woher wisst Ihr das alles?«
»Großherzog Braga erfuhr von den geheimen Treffen, als ihn der verstorbene König bat, den Boten direkt und ohne schriftlichen Vermerk zu bezahlen. Natürlich hat er es mir erzählt.«
Archibald stand schweigend da und kippte dann den Rest seines Branntweins hinunter. »Aber, Moment mal, warum erzählt er es Euch?«
»Weil unser Percy hier als guter Imperialist weiß, wie wichtig es ist, die Kirche über solche Dinge auf dem Laufenden zu halten.«
Archibald sah Braga verdutzt an. »Aber Ihr seid doch Royalist, oder nicht? Ich meine, wie kann ein Imperialist Großkanzler von Melengar werden?«
»Tja, wie nur?«, sagte Saldur lächelnd.
»Durch Einheirat in die königliche Familie«, erklärte Braga.
»Die Kirche plaziert schon seit längerem Imperialisten in Schlüsselpositionen nahe dem Thron sämtlicher royalistischer Königreiche in Avryn und sogar einiger Territorien in Trent und Calis«, erläuterte Saldur. »Dank unerwarteter, unfallbedingter Todesfälle ist es den meisten dieser Männer inzwischen gelungen, selbst die Herrschaft über diese Königreiche zu erlangen. Die Kirche geht davon aus, dass nach dem Auffinden des Erben der Übergangsprozess reibungsloser verläuft,wenn die verschiedenen Königreiche bereits darauf ausgerichtet sind, dem Imperium die Treue zu schwören.«
»Unglaublich.«
»Ja, nicht wahr? Ich muss Euch allerdings warnen, dass Ihr keine weiteren Briefe mehr in Euren Besitz bringen werdet. Es wird nämlich keine geheimen Treffen in der Winde-Abtei mehr geben. Bedauerlicherweise sah ich mich gezwungen, den Großherzog zu bitten, den Mönchen dort eine Lektion zu erteilen, was die Duldung solcher Treffen unter ihrem Dach anbelangt. Das Kloster wurde samt den Mönchen ein Raub der Flammen.«
»Ihr habt Eure Mithirten der Schäf lein Maribors umgebracht?«, fragte Archibald Saldur.
»Als Maribor uns Novron sandte, sandte er ihn als Krieger, der unsere Feinde vernichten sollte. Unser Gott ist keiner, der kein Blut sehen kann, und oft ist es nun einmal nötig, schwache Äste wegzuschneiden, damit der Baum stark bleibt. Die Mönche zu töten, war unvermeidlich, aber einen habe ich verschont – Lanaklins Sohn, damit er nach Hause zurückkehrt und seinem Vater klarmacht, dass die Toten auf sein Konto gehen. Wir können ja schließlich nicht zulassen, dass sich Royalisten gegen uns zusammentun, oder?« Saldur lächelte ihn an. Der alte Bischof nahm noch einen Schluck von seinem Branntwein, und im nächsten Moment sah Braga schon wieder die Persona des gütigen Großvaters vor sich.
»Es ging also um Glouston, Archibald?«, sagte Braga und schenkte dem Grafen erneut ein. »Vielleicht habe ich Euch ja falsch eingeschätzt. Sagt mir doch, lieber Graf, was hat Euch mehr gewurmt, dass Euch das Land
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