Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)
unten zu helfen.
»Bitte«, sagte Shan zu Yuan. »Sie sind zu alt.«
Der Professor schaute seiner Tochter hinterher. »Meng ist bei uns vorbeigekommen. Sie hat uns gewarnt, dass der Haftbefehl sich nicht mehr viel länger vermeiden lassen würde. Falls Sansan ins Gefängnis müsste, dann für mindestens fünf Jahre, eher für zehn. In meinem Alter bedeutet das, ich würde sie nie wiedersehen. Hier hingegen können wir zusammen sein, ein neues Abenteuer erleben und für diese Menschenetwas bewirken. Und das hat Meng uns ermöglicht, mein Freund.«
Shan blickte weg in den Nachthimmel und kämpfte gegen eine neue Woge der Gefühle an. Er hatte Meng nicht mehr gesehen. Als er zu dem Polizeiposten gekommen war, hatten die tibetischen Beamten ihm mitgeteilt, sie habe überstürzt eine neue Stelle an der Grenze zur Mongolei angenommen. Und sie hatte einen Bericht hinterlassen, in dem stand, sie und Shan hätten herausgefunden, dass Major Liang und Norbu in Schmuggelgeschäfte verwickelt seien. Sobald man Norbus Verschwinden bemerkte, würde das ausreichen, um Shan vor Liang zu beschützen, falls der Major versuchen sollte, ihn ausfindig zu machen.
Yuan griff ein letztes Mal in den Wagen und holte ein vertrautes Bündel heraus. Shan half ihm, die verschnürten Ahnentafeln auf der Schulter zu balancieren. »Er ist weiter gereist als jeder von uns«, sagte Yuan lachend.
»Der alte Bandit ist bereit für ein neues Abenteuer«, sagte Shan.
»All wir alten Banditen«, erwiderte Yuan mit funkelndem Blick.
Als Letztes kamen die Schafe an die Reihe und sprangen sofort herunter, als Lung Tso und Dschingis die Heckklappe öffneten. Manche rannten wie instinktiv zu den Hirten, andere hinaus in die Nacht, zu dem üppigen Gras, das unter ihnen lag.
Von irgendwo aus der Ferne hallte der tiefe Ruf einer Eule wider und klang wie ein Gebetshorn.
Shan wusste nicht, ob es an der Tierherde oder an dem stärker werdenden Zauber der ausgedehnten Landschaft im Mondschein lag, aber er sah, wie in den Augen der dropkas eine neue Wildheit aufleuchtete, eine unbändige Ausgelassenheit. Als sie sich nun einer nach dem anderen auf den Wegmachten, stand Lokesh am Rand des Pfades, berührte jeden Einzelnen und segnete ihn oder sie mit einem kurzen, freudigen Gebet. Chenmo und einige andere stimmten ein Lied an, während sie den Hang hinunterstiegen.
Der Professor und Rapeche warteten ab, bis auch das letzte Mitglied des Clans an ihnen vorbeigegangen war. Schließlich winkten sie Shan zum Abschied zu. Dann drehten sie sich um und wurden zu zwei weiteren der umsichtigen Schatten, die mit der Nacht verschmolzen und die Welt hinter sich zurückließen.
GLOSSAR DER FREMDSPRACHIGEN BEGRIFFE
Begriffe, die nur einmal auftauchen und deren Bedeutung sich aus der jeweiligen Textstelle erschließt, wurden nicht in dieses Glossar aufgenommen.
Ani . Tibetisch. Eine buddhistische Nonne.
Bardo . Tibetisch. Kurzform für die Bardo-Todesriten; bezieht sich speziell auf die Übergangsphase zwischen Tod und Wiedergeburt.
Chang . Tibetisch. Tibetisches Bier, zumeist aus Gerste gebraut.
Changtang . Tibetisch. Die gewaltige Hochebene, die das nördliche Zentraltibet dominiert.
Chorten . Tibetisch. Ein Stupa, ein traditioneller buddhistischer Schrein mit Kuppel und Spitze, zumeist als Reliquienschrein genutzt.
Chuba . Tibetisch. Ein schwerer, einem Umhang ähnelnder Mantel aus Schaffell oder dickem Wollstoff.
Dropka . Tibetisch. Ein Nomade der Changtang; wörtlich ein »Bewohner des schwarzen Zeltes«.
Dungchen . Tibetisch. Ein langes Zeremonienhorn mit tiefem Klang, zumeist aus mehreren, spitz zulaufenden Teilen zusammengesteckt.
Dzong . Tibetisch. Traditionell die Bezeichnung für eine tibetische Festung oder Burg. Heutzutage wird der Begriff in Tibet auch für regionale Verwaltungsbehörden verwendet.
Gau . Tibetisch. Ein »tragbarer Schrein«; zumeist ein kleines Medaillon mit Klappdeckel, oft aus Silber gefertigt, das um den Hals oder die Taille getragen wird und in dem ein aufgeschriebenes Gebet oder ein heiliges Objekt verstaut ist.
Gompa . Tibetisch. Ein Kloster; wörtlich ein »Ort der Meditation«.
Khampa . Tibetisch. Ein einheimischer Bewohner der Kham-Region, die früher den Ostteil Tibets darstellte.
Khata . Tibetisch. Ein Gebetsschal, traditionell aus weißer Seide oder Baumwolle, wie er oftmals am Ende eines Rituals einem Lama überreicht wird.
Kunlun . Mandarin. Die hohe, langgezogene Gebirgskette, die das tibetische Zentralplateau im
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