Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)
Wand und wich einem weiteren wütenden Schlag aus.
»Handschellen!«, rief Liang. »Fesselt ihn!« Shan nahm eine Bewegung am Eingang wahr. Die Polizisten kamen offenbar zurück. Wenigstens würden sie Liangs Zorn mit ansehen. Vielleicht könnten sie später auch noch den Grund dafür erfahren. Er sah noch einmal auf die Uhr, lief dann um Liang herum und in Mengs Büro. Der Major folgte ihm sofort. Shan nahm Liangs Computer vom Tisch und hielt ihn wie einen Schild vor sich.
»Bastard!«, zischte Liang. Die Schlange in ihm hatte vollends die Kontrolle übernommen.
Der erste Hieb des Knüppels ließ die obere Hälfte des Laptops bersten, der zweite riss sie ab, und der dritte zerbrach die Tastatur, so dass Elektronikbauteile zu Boden prasselten. Liang zögerte nur einen Moment und prügelte dann weiter auf das Gerät ein, um irgendwie Shans Kopf zu erreichen. Shan bewegte sich rückwärts auf die Tür zu, bis er plötzlich von starken Armen gepackt wurde. Während man ihm die Hände auf den Rücken fesselte, stieß Liang ihm den Knüppel in den Bauch und zwang ihn auf die Knie.
»Ihr habt es gesehen! Er hat einen Offizier angegriffen!«, kreischte Liang und trat nun nach Shan.
Shan merkte entsetzt, dass die Männer, die ihn ergriffen hatten, graue Uniformen trugen. Das waren nicht die tibetischen Polizisten, die zu Zeugen hätten werden sollen, sondern Kriecher. Liang hatte also Soldaten gefunden, die ihm helfen würden. Sie hatten dafür gesorgt, dass Meng und die Polizisten draußen blieben. Niemand hatte etwas gehört. Niemand hatte etwas gesehen. Sein verzweifelter Plan war fehlgeschlagen. Er hatte seine Freiheit umsonst geopfert.
Der Hieb in die Eingeweide tat höllisch weh. Shan schloss die Augen und wurde auf die Rückbank eines Wagens geworfen. Dann lag er da, während ihn schwindelte, rang immer noch nach Luft und versuchte, nur an den nächsten Moment zu denken und dann wieder an den nächsten, aber bloß nicht an die Zelle, die in irgendeinem fernen Gefängnis auf ihn wartete. Morgen um diese Zeit würde er viele hundert Kilometer von Ko entfernt sein.
Erst kurz bevor der Wagen anhielt, wurde Shan klar, dass sie über Schotter rollten, nicht über die asphaltierte Schnellstraße. Es war ein Polizist, der ihn aus dem Wagen zog, und ein anderer, der dann das Fahrzeug wendete. Auf einmal waren seine Hände wieder frei. Der tibetische Polizist wischte ihm das Blut aus dem Gesicht. » Lha gyal lo «, flüsterte er Shan zu und warf ihm etwas vor die Füße.
»Was macht ihr?«, rief Shan verwirrt, als sie wegfuhren. Er stand am Tor des Hofs der Jadekrähen. Zu seinen Füßen lag Jamyangs Pistole.
Lung Tso lehnte an einem Pfahl und rauchte eine Zigarette, als würde er schon auf Shan warten. Als Shan einen Schritt in seine Richtung wankte, kam ein anderer Wagen angefahren.
Meng war allein. »Ich hatte dir ja gesagt, dass Liang offiziell abgereist war«, erklärte sie. »Aber ich habe in der Zentrale eine Nachricht für ihn hinterlassen, die an seinen Wagen weitergeleitet wurde. Ich sagte, Oberst Tan würde nach ihm suchen und habe Fragen über ein sogenanntes Friedensinstitut. Er hat es nicht gewagt, hier in Tans Bezirk noch irgendwie offiziell in Erscheinung zu treten, um nicht zu gefährden, was in Chamdo vor sich geht.«
»Du hast ihn angelogen.« Während sein Schmerz sich legte, wurde Shan immer mehr die Klugheit dieses Schachzugs bewusst. Liang kannte Tan als mächtigen und skrupellosen Armeeoffizier, der die Öffentliche Sicherheit hasste, und waraußerdem erfahren genug, um zu wissen, wie wütend ein alter Veteran wie Tan sein würde, wenn er von verdeckten Operationen in seinem Gebiet erfuhr, die man ihm verheimlicht hatte.
»Worte sind so hohle Dinge«, erinnerte Meng ihn. »Er wusste, er hätte heute niemals herkommen dürfen. Wie du gesagt hast, es war ein zu großes Risiko sowohl für seine Mission als auch für ihn persönlich. Er muss verschwinden. Er ist schon weg. Er ist überzeugt, dass seine Arbeit getan ist und sein Agent die Amerikanerin ausschalten wird. Das hat ihm gereicht. Das und die Möglichkeit, dich durch die Mangel zu drehen.«
»Aber die Soldaten …«
»Du hast dich geirrt, Shan. Er hätte nie offen vor tibetischen Polizisten gesprochen. Diese Soldaten waren hier, um mir bei der Verkehrsregelung zu helfen, wegen all der Kolonnen. Die hatten keine Ahnung, was eigentlich vor sich ging.« Meng deutete auf Lung, nickte Shan kurz zu und überließ ihn dem Bandenführer.
Als
Weitere Kostenlose Bücher